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Der Domino-Killer

Der Domino-Killer

Titel: Der Domino-Killer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Pepper
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nicht.»
    Er fuhr auf den Parkplatz vor einem großen Gebäude mit zwei Anbauten links und rechts, es sah aus wie ein Vogel mit ausgebreiteten Schwingen. Hier auf dem Berggipfel hatte man rundherum Ausblick auf andere Berge und die großen und kleinen Täler dazwischen, alles leuchtete im saftigen Blattgrün des Frühsommers. Grün, überall Grün. Luft, so klar und frisch, dass es fast schwer wurde zu atmen.
    Jon hatte mir einen kleinen Koffer gepackt, den er jetzt hinten aus dem Wagen holte. Ich folgte ihm ein paar Stufen hinauf, durch eine Doppelglastür und in die überfüllte Lobby. Wir stellten uns in die Schlange vor dem Anmeldetresen. Während wir warteten, las ich, was hinter dem Empfangsschalter an der Wand stand: Kripalu-Center für Yoga und Gesundheit .
    «Du willst mich wohl verarschen», zischte ich Jon von hinten an. Er bekam Gänsehaut auf dem Arm, drehte sich aber nicht um. «Sag was!»
    «Du hast mich nichts gefragt.»
    « Hasst du mich jetzt auf einmal?»
    Er fuhr herum und schaute mich so wütend an, wie ich es bei meinem bis vor kurzem fröhlichen und entspannten Bruder noch nie gesehen hatte. «Ich liebe dich, Karin, also hör jetzt mit dem Scheiß auf.»
    Während die Schlange vor dem Schalter kleiner wurde, war das bei meiner Wut nicht der Fall. Yoga ? Joyce musste den Verstand verloren haben! Und Jon ebenfalls. Das hatten sie wohl allesamt, wenn sie glaubten, dass solche Albernheiten meinen Schmerz vertreiben konnten. Ich war Polizistin gewesen. Ich war Witwe. Die Mutter eines ermordeten Kindes. Ein nichtswürdiger Feigling.
    Jon zog ein gefaltetes Blatt aus der Tasche, klappte es auf und reichte es der jungen Frau hinter der Theke. Die las es und lächelte. «Der soll wirklich gut sein, habe ich gehört.» Sie tippte etwas in den Computer und reichte Jon dann einen Ausdruck, den er an mich weitergab: Heilung von Angst und Depressionen, ein fünftägiger Workshop von Joyce Goldman-Kerns .
    Aha! Joyce war wieder einmal dabei, die Welt zu retten, und hatte Jon mitgeteilt, dass er mich zu ihr bringen sollte. Obwohl ich hier weder hingehörte noch sein wollte. Ich knüllte das Papier zusammen und versuchte, es in den nächsten Abfallkorb zu werfen. Traf ihn aber nicht, und das Papier landete auf dem Boden daneben. Ein zufällig vorbeikommender älterer Mann mit einem Lächeln auf dem Gesicht, barfuß, in Jogginghose und T-Shirt, nahm meine Aufregung gleichmütig zur Kenntnis und ging seiner Wege. Ein kleiner Junge lief lachend an uns vorbei, ihm folgte ruhig eine Frau mit blonden Dreadlocks, die eine schwarze Stretchhose und ein Oberteil in kräftigem Orange trug. Auf einem ihrer Zehen steckte ein Ring, und jeder Zehennagel war in einer anderen Farbe lackiert. Als sie an uns vorbeiging, lächelte sie, folgte aber, ohne stehen zu bleiben, weiter dem Jungen.
    «Das geht nicht», erklärte ich Jon. «Joyce glaubt an solche Sachen, aber für mich ist das nichts. Wie kann ich denn in einem Raum sitzen mit Leuten, die Stretchhosen und Dreadlocks tragen? Unmöglich.»
    «Wieso denn? Versuch doch wenigstens, ob es dir hilft, wenn du schon mal hier bist.»
    «Ich will mein Prozac zurück.»
    «Joyce ist dagegen.»
    «Ich habe mich dadurch besser gefühlt. Es hat geholfen. Yoga wird das nicht.»
    «Joyce sagt, du sprichst nicht gut darauf an und dass du ihr die Nebenwirkungen verschwiegen hast.»
    Ach, aber die Kraft, die ich durch das Prozac in mir gespürt hatte … wie sollte ich das jemandem erklären? Es war großartig gewesen. Von meiner täglichen Dosis waren mir Flügel gewachsen. Ohne das Medikament hätte ich mich nie getraut, Mac beim Lunch so auszutricksen – ihn einfach sitzenzulassen, um meiner Intuition zu folgen. Ich hätte mir eingeredet, dass meine Ahnungen Unsinn waren und ich besser nicht zur Convention gehen sollte; und dann hätten wir JPP vielleicht nie geschnappt; vielleicht wäre er dann jetzt immer noch auf freiem Fuß.
    «Jon, hast du nicht auch das Gefühl, dass sie das hier eher für sich tut? Wegen ihres schlechten Gewissens? Weil sie schon wieder nicht in New York war, als ich erneut zusammengebrochen bin und sie dringend gebraucht hätte?»
    Er schüttelte den Kopf und seufzte. «Ja, da hast du wohl recht. Allerdings glaube ich auch, dass sie wirklich einen Weg sucht, um dir zu helfen, ganz gleich, wie.» Er gab mir einen Kuss auf die Stirn. «Ich bin in fünf Tagen wieder hier. Alles, was du wissen musst, steht auf diesem Blatt.» Er beugte sich herunter, hob das

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