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Der Domino-Killer

Der Domino-Killer

Titel: Der Domino-Killer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Pepper
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Arm senkte sich, und Macs Finger glitten in meine Hand, nahmen mir die Waffe ab, bevor sie auf den Boden fallen konnte. Ich hörte, wie er sie sicherte, während er den Arm um mich legte und mich durch die Toilette schob, so weit fort von Martin Price wie es ging, ohne den Raum zu verlassen. Mit der freien Hand schlug er gegen die Tür und rief dann: «Staples!»
    Billy kam wieder herein, er wirkte besorgt. Mac steckte die Waffe zurück in den Stiefel und sagte: «Ich brauche hier einen Zeugen.» Und an mich gewandt: «Willst du noch immer die Formalitäten erledigen, Karin?»
    Ich war wie betäubt. Erstarrt und leer. Kraftlos stand ich da auf der anderen Seite der Toilette vor ihm . Einem Mann, der im Gefängnis wahrscheinlich ein langes Leben vor sich hatte, töpfern würde und lesen, Basketball spielen, seinen Gedanken nachhängen, in seiner Phantasie immer wieder durchleben und genießen würde, wie er so viele Menschen brutal zugerichtet und umgebracht hatte. Und trotzdem blieb ihm das Geschenk des Lebens. Ich konnte ihn nicht ansehen.
    «Mach du das», sagte ich zu Mac.
    Die anderen Polizisten kamen wieder herein. Ich starrte auf den Boden, den Schmutz zwischen den weißen Fliesen, während Mac Martin Price seine Rechte erklärte. Dann öffneten sie seine Fesseln, hoben ihn hoch, legten ihm Handschellen an und schafften ihn fort. Aus den Augenwinkeln bemerkte ich, wie er mich im Vorübergehen ansah, spürte, dass er meinen Blick suchte. Aber warum sollte ich ihn anschauen? Wollte er meine Niederlage genießen? Oder ging es ihm darum, ein letztes Mal meine Angst vor ihm auszukosten? Denn ich war sein wichtigster Zeuge. Mein Leid machte ihn zu etwas Besonderem. Solange ich lebte, für immer von den schrecklichen Verlusten gezeichnet, die ich ihm zu verdanken hatte, würde auch sein großes Werk fortbestehen.
    Ich hielt den Blick gesenkt, zählte siebzehn, achtzehn, neunzehn Fliesen, bevor ich durcheinanderkam.
    Dann fiel die Tür zu. Schritte entfernten sich über den Korridor, ließen Mac und mich mit unserem Schweigen allein.
    Ich schämte mich furchtbar – weil ich JPP so unbedingt hatte töten wollen und gleichzeitig weil ich es nicht fertiggebracht hatte. Weil ich ein solcher Feigling war, ganz gleich von welcher Seite man es betrachtete. Weinend schlug ich die Hände vors Gesicht. Mac nahm mich in die Arme, hüllte mich in seine Wärme ein. Er flüsterte mir etwas Tröstliches zu, aber ich war zu benommen, um auch nur ein Wort zu verstehen.

KAPITEL 11
    Es war kein Saft mehr in den Batterien des GPS-Geräts, das Jon sich für die Fahrt von unserer Mutter geliehen hatte, also hielt er am Straßenrand an und schaute auf die Karte.
    «Sag mir schon, wo wir hinfahren», drängte ich ihn. Zum wiederholten Mal.
    «Nicht bevor du dich nicht zusammenreißt.» Jons Gesicht wirkte matt. Blass. Mit fast durchscheinender Haut, unter der es nur aus Angst, Anspannung und Entschlossenheit zu bestehen schien statt aus Knochen, Muskeln und Knorpeln. Er hatte kein gewöhnliches Gesicht, nicht mehr, nicht seitdem er all seine Energie auf das Überleben seiner Familie konzentriert hatte. Ich war stolz auf die Tapferkeit meines Bruders, die er in unserer Notlage bewiesen hatte. Stolz und gleichzeitig wütend, weil er gemeinsam mit Joyce heimlich diese Entführung ausgeheckt hatte.
    Keine drei Tage nachdem das Prozac abgesetzt worden war, hatte mich die Dunkelheit wieder eingehüllt. Joyce war aufgefallen, dass das Medikament auf meine Hirnchemie einen schädlichen Effekt hatte und bei mir zu einer «gefährlichen Impulsivität» führte. Wie zum Beispiel dazu, unbewaffnet und allein Jagd auf einen Serienkiller zu machen. Jedenfalls wollte ich nun nicht mehr rausgehen. Nur noch herumsitzen. Allein. In meiner abgedunkelten Wohnung. Immer wieder über denselben Augenblick meines Lebens nachgrübeln. Mein Versagen analysieren und sezieren. Mich für meine Feigheit hassen. Alles zutiefst bedauern. Obwohl ich das Richtige getan hatte, an jenem Tag in der Herrentoilette im Convention Center, als ich Martin Price in die Augen schaute und in ihm den Menschen erkannte, war es doch ein Verrat an mir selbst gewesen.
    Weshalb hatte ich es nicht fertiggebracht, ihn zu töten?
    In diese Frage war ich ganz versunken, allein in meiner dunklen Wohnung, die ich nicht mehr verlassen wollte. Allein sein. Für immer, allein.
    Wieso nur? Das war alles, was ich wissen wollte. Falls von einem Willen überhaupt die Rede sein konnte.
    Mir war nicht sehr

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