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Der Domino-Killer

Der Domino-Killer

Titel: Der Domino-Killer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Pepper
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viel geblieben. Ich hatte alles verloren, worauf es ankam: Jackson, Cece, meinen Mut; meinen inneren Wesenskern, der mich erst zu einem vollwertigen Menschen machte.
    Wenn ich mich von der Welt zurückzog, niemandem zur Last fiel und nichts mehr vom Leben erwartete … Nicht durch einen erneuten Selbstmordversuch um Aufmerksamkeit bettelte … Nur allein in der Dunkelheit vegetierte … Wenn ich das alles tat, mich von der Zeit verschlucken ließ, während ich immer nur über diesen einen Augenblick nachdachte – mich so von dem Schmerz befreite, der all dem vorangegangen war, und von allen Hoffnungen für die Zukunft –, dann konnte ich weiterleben. Existieren. Ohne die gnadenlosen qualvollen Erinnerungen, mit denen mein Gedächtnis mich gegen meinen Willen überspülte.
    «Schau dich doch nur an», sagte Jon zu mir, die ich zusammengesunken auf dem Beifahrersitz kauerte, während er fuhr. Er sah dabei weiter auf die Straße, und dennoch spürte ich, dass seine gesamte Aufmerksamkeit mir galt. «Schau dich doch nur an.» Genau das hatte er auch gesagt, als er vor zwei Tagen zu mir in die Wohnung gekommen war, nachdem man JPP ins Gefängnis geworfen hatte und Jon mit seiner Familie zurück in ihr Zuhause gezogen war: Schau dich doch nur an, du bist der Inbegriff von Leid und Elend. Dein Anblick ist so entsetzlich, dass ich gar nicht hinsehen kann. Schau dich doch nur an .
    Ich war einfach niemandem zuzumuten. Es war unerträglich. Das Unheil, das ich über alle gebracht hatte. Meine Familie, tot. Jons Familie, in höchster Gefahr. Mac, belogen. Mein Versagen, denjenigen auszulöschen, der uns das alles angetan hatte. Und dennoch liebten diese Menschen mich immer noch. So sehr, dass Jon seine Frau und seine Kinder alleingelassen hatte, um mich auf Joyce’ Wunsch hin an irgendeinen Ort zu bringen, den er mir verheimlichte.
    «Ihr lasst mich einweisen.» Ich wandte den Blick von ihm ab und schaute zu, wie Upstate New York am Fenster vorbeiflog. «Ja, genau. Das wird’s sein.»
    Mein Bruder lachte bitter auf. «Das kommt dann vielleicht als Nächstes.»
    «Geschlossene Stationen gibt es auch in der Stadt.»
    Er ignorierte mich und fuhr weiter.
    Nach über drei Stunden erreichten wir Massachusetts, fuhren am Mass Pike ab und Richtung Lee. Das war ein malerisches Städtchen mit Geschäften und Restaurants. Als wir aus dem Zentrum herauskamen, wurden die Bürgersteige vor den Häusern von großen alten Bäumen gesäumt. Ich war noch nie zuvor in dieser Gegend gewesen und hatte daher auch nicht die leiseste Ahnung, wo Jon wohl mit mir hinwollte. Dann kamen wir in eine andere Stadt, Lenox, die etwas größer und wohlhabender wirkte. Aber kaum waren wir dort, hatten wir Lenox auch schon wieder durchfahren und befanden uns auf einer Straße durch ein Waldgebiet, sämtliche Schilder hier wiesen den Weg nach Tanglewood.
    « Tanglewood ?», fragte ich. «Wo die Konzerte stattfinden?» Jackson hatte mir davon erzählt – hier versammelten sich in jedem Sommer einige der weltbesten Musiker, zumeist aus dem Klassikbereich, ein Touristenmagnet, der kulturell Interessierte aus dem gesamten westlichen Massachusetts anzog. Jetzt fiel es mir wieder ein: Jackson hatte herkommen wollen, um James Taylor live zu sehen. Es war schon abgemachte Sache gewesen, wir hatten vor, ein Zimmer in einem Gasthof zu mieten und Cece mitzunehmen. Ein schönes gemeinsames Wochenende für die ganze Familie. Bis eben hatte ich das vollkommen vergessen gehabt.
    Ich begann wieder zu weinen.
    «Wir gehen nicht zu einem Konzert», sagte Jon und gab sich keine Mühe, den Frust in seiner Stimme zu verbergen.
    Wir fuhren an den vielen Parkplätzen vor den Konzertstätten von Tanglewood vorbei, dann am Haupteingang des Musikzentrums. Anschließend kamen wir zu einem kleinen Schild, auf dem Kripalu stand, und bogen in eine Auffahrt ein, die sich den Berg hinaufschlängelte.
    «Was ist denn das hier?», verlangte ich zu erfahren und wischte mir mit dem Handrücken über die Augen. «Jon, ehrlich, ich bin kein kleines Kind, das du ohne jede Erklärung einfach irgendwohin verfrachten kannst.»
    Er schaute zu mir herüber, und ich sah, dass seine Augen ganz rot waren, dass er erschöpft war. Und nicht die Energie hatte, mir etwas zu erklären, was er wahrscheinlich selbst nicht verstand.
    «Joyce wollte, dass ich dich herbringe», sagte er. «Also tue ich es. Sobald du eingecheckt hast, muss ich wieder zurück.»
    «Du bleibst nicht bei mir?»
    «Das kann ich

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