Der Dominoeffekt
und wies seinem Besucher mit dem rechten Arm den Weg zum Besucherstuhl. Der Dicke sah sich schüchtern um, dann setzte er sich endlich in Bewegung.
»Darf ich Ihnen etwas anbieten? Kaffee? Oder ein Wasser?«
Der billige Anzug hockte inzwischen auf der Kante der Sitzgelegenheit und stellte die Aktentasche auf seine angewinkelten Knie. Die Hände landeten, Halt suchend, jeweils an den Seiten des Griffs. »Einen Kaffee, wenn es keine Umstände macht.«
»Milch? Zucker?«
Werner schüttelte den Kopf.
Vollmert kramte eine saubere Tasse hervor und schenkte zunächst seinem Gast, dann sich selbst ein. »Nun, was kann ich für Sie tun?«
»Es… es geht um meine Frau«, stotterte Werner.
Nicht schon wieder, dachte der Detektiv. Wenn er nicht verhungern wollte, blieb ihm aber nichts anderes übrig, als Interesse zu heucheln. »In welcher Angelegenheit?«
»Ich fürchte, sie hat einen Liebhaber«, kam Werner sofort zur Sache, wobei ihm beim letzten Wort fast die Stimme versagte. »Ich brauche Gewissheit.«
Vollmert erwiderte ernst: »Ich habe vollstes Verständnis für Ihre Sorgen. So etwas kann einen fertig machen.«
Werner sah dankbar auf und zeigte sogar ein schiefes Lächeln. Endlich jemand, der ihn verstand. »Haben Sie das auch schon mal mitgemacht?«
»Nein. Aber ein nicht unbeachtlicher Teil meiner Auftraggeber schlägt sich mit ähnlichen Problemen herum wie Sie. Oft erlebe ich dabei wahre menschliche Tragödien, glauben Sie mir.«
Werners Hände strichen über das Kunstleder seiner Aktentasche, seine Nasenflügel begannen deutlich sichtbar zu beben. Und dann kullerten tatsächlich ein paar Tränchen unter den Glasbausteinen hervor.
»Ich liebe meine Frau, wissen Sie? Ich liebe sie über alles. Und sie ist mir auch immer eine gute Frau gewesen. Nur seit ein paar Monaten… da ist alles anders. Glaube ich.«
»Haben Sie konkrete Anhaltspunkte?«
»Es ist mehr so ein Gefühl. Seit einiger Zeit geht sie immer öfter abends allein aus dem Haus, angeblich trifft sie sich mit Freundinnen oder besucht Weiterbildungskurse. Dabei hat sie doch einen guten Posten, uns fehlt es an nichts.«
Vollmert beugte sich vor und nickte wissend. »Das sind meistens die ersten Alarmsignale. Erst waren es nur ein oder zwei Abende im Monat, dann vier oder fünf und jetzt ist sie bestimmt jede Woche mehrmals ohne Sie unterwegs, nicht wahr?«
»Woher wissen Sie das?«, fragte Werner verdattert.
»Ich mache meinen Job schon seit einigen Jahren.«
»Ich habe Sabine darauf angesprochen, aber sie hat mich nur ausgelacht.«
Vollmert nippte an seinem Kaffee und tat so, als dächte er nach. Werner hatte seine Tasse noch nicht angerührt.
»Sie wollen also Gewissheit«, meinte der Schnüffler bedächtig. »Ich kann Ihnen helfen.«
Werner entspannte sich ein wenig und packte den Griff seiner Tasche wieder fester. »Es geht mir nur darum, Bescheid zu wissen. Ich will sie nicht verlieren, selbst wenn sie mich hintergeht, kriegen wir das wieder hin. Aber diese Ungewissheit macht mich wahnsinnig.«
»Ein undankbarer Zustand. Aber wir werden das schon schaukeln. Zunächst brauche ich allerdings einige Informationen.«
»Natürlich.«
»Ihre Frau heißt Sabine?«
»Ja, Sabine. Sabine Mempel-Werner, sie wollte unbedingt ihren Mädchennamen behalten.«
Vollmert schrieb eilig mit. »Haben Sie ein Foto Ihrer Gattin dabei?«
»Selbstverständlich«, nickte Werner und griff in die Innentasche seines Jacketts. Mit der Rückseite nach oben schob er das Bild über den Schreibtisch.
Vollmert nahm das Bild entgegen und drehte es um. Einen Augenblick später stieß er unbewusst einen Pfiff aus.
Das Foto zeigte eine Blondine, vielleicht Ende dreißig, lange, natürliche Locken bis auf die Schultern, ein dümmlich-naives Lächeln in einem schmalen Gesicht. Das Bild war offensichtlich während eines warmen Sommertages aufgenommen worden, die Frau trug ein schulterfreies Top und einen extrem kurzen Minirock.
Der Detektiv verstand die Welt nicht mehr. Warum suchten sich die geilsten Tussis nur die hässlichsten Kerle aus? »Das ist Ihre Frau?«, fragte er ungläubig. »Wie alt ist das Bild?«
»Vom letzten Sommer«, gab Werner stolz zurück, »ich habe das Foto in unserem Garten gemacht.«
»Wie lange sind Sie schon verheiratet?«
»Sieben Jahre, im Oktober werden es acht.«
Vollmert betrachtete zweifelnd seinen Besucher. Sofern er nicht einen Unfall gehabt oder einige missglückte Schönheitsoperationen hinter sich hatte, hatte er zum
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