Der Dominoeffekt
Zeitpunkt der Hochzeit bestimmt nicht wesentlich besser ausgesehen als jetzt.
»Berufstätig?«
»Ja, ich bin Buchhalter bei der…«
»Nein, nicht Sie. Ihre Frau Gemahlin.« Vollmert hatte es sich angewöhnt, über seine Observationsobjekte immer so positiv wie möglich zu sprechen, solange er keine Beweise für ein Vergehen hatte.
»Ach so, ja. Sabine arbeitet bei der Sparkasse.«
»Hier in Bochum?«
»Ja.«
»Hat Ihre Gattin feste Gewohnheiten? Bestimmte wiederkehrende Termine in der Freizeit?«
»Da müsste ich erst nachdenken… Ja, doch, donnerstagsabends geht sie immer zum Sport, Fitness und Aerobic, da bin ich ihr auch schon einmal hinterhergefahren. Ansonsten informiert sie mich immer nur sehr kurzfristig über ihre Pläne.«
»Mhm«, machte Vollmert, »dann wird das eine ziemlich aufwändige Observation. Dieses Sportstudio, sind Sie sicher, dass sie da trainiert?«
»Ich habe sie hineingehen sehen.«
»Na und? Beispielsweise könnte der Laden einen zweiten Ausgang haben. Oder sie trifft sich dort mit jemandem.«
Werner zog die Stirn kraus. Anscheinend hatte er diese Möglichkeit noch nicht bedacht.
»Wie auch immer«, meinte Vollmert, »ich werde, falls Sie sich zur Auftragsvergabe entschließen können, Ihre Gattin einige Tage beobachten. In spätestens zwei Wochen ist die Ungewissheit vorbei, das verspreche ich Ihnen.«
»Sie fährt in einigen Tagen zu einer Fortbildung. Deswegen mache ich mir die meisten Sorgen.«
Vollmert sprangen sofort Dollarzeichen in die Augen. »Eine Fortbildung?«
»Von der Sparkasse aus, sie nimmt da auch wirklich daran teil, ich habe mich schon davon überzeugt.«
»Und wo liegt dann das Problem?«
»Sie will während der Zeit im Hotel wohnen und abends nicht nach Hause kommen. Dabei ist es nur eine Dreiviertelstunde Fahrt bis zum Tagungsort, höchstens eine Stunde.«
»Wo findet die Fortbildung denn statt?«
»In Geldern.«
Geldern? Wo zum Teufel lag Geldern? Vollmert kramte in seinen bescheidenen geografischen Kenntnissen. Er tippte auf den Niederrhein, war sich aber nicht sicher. »Soll ich Ihre Gattin dort etwa auch observieren?«
»Wenn Sie es zeitlich einrichten könnten…«
Vollmert lehnte sich zurück und tat so, als müsse er überlegen. Endlich hatte er die passenden Worte gefunden. »Das sollte machbar sein, allerdings muss ich vorher mit einigen anderen Auftraggebern Rücksprache halten. Und ich müsste Ihnen einen Aufschlag berechnen, Sie verstehen?«
»Wie teuer würde das Ganze denn?«
Der Detektiv rang sichtlich mit sich. Sollte er hoch pokern? Der Feiste schien nicht gerade am Hungertuch zu nagen, obwohl sein Anzug von der Stange stammte und höchstens neunundvierzig Euro gekostet haben konnte. Aber so eine Frau heiratete man nicht, wenn man Sozialhilfeempfänger war.
»Dreihundertfünfzig pro Tag, plus Spesen. Das ist schon inklusive der Mehrwertsteuer.«
»Einverstanden«, sagte Werner und schien erleichtert.
Vollmert ärgerte sich augenblicklich, wahrscheinlich hätte er noch einen Hunderter draufpacken können.
»Dann kann ich also jetzt einen Vertrag aufsetzen? Übrigens ist es üblich, einen kleinen Vorschuss zu leisten. Sind fünfhundert in Ordnung?«
»Selbstverständlich«, nickte Werner eifrig und zückte seine Brieftasche. »Wenn ich dafür Gewissheit bekomme…«
Vollmert nickte verständnisvoll, drehte seinen Stuhl zum Computerarbeitsplatz und startete das Textverarbeitungsprogramm mit dem abgespeicherten Dienstleistungsvertrag.
10
Katharina starrte angestrengt auf das Poster, auf dem Charlie Chaplin die Füße hintereinander kreuzte, einen extrem traurigen Blick erkennen ließ und gleichzeitig elegant sein Spazierstöckchen schwang. Sie hatte sich an diesem Motiv zwar schon satt gesehen, aber der Anblick war ihr allemal lieber als das verzweifelte Häufchen Elend auf der Couch unter dem Bild.
Astrid Beckmann zerfaserte wohl schon das fünfte Papiertaschentuch, ihre Jeans war übersät mit kleinen weißen Fetzen. Das Gesicht der jungen Frau wirkte seelenlos, wie in Stein gemeißelt, nur gelegentlich durchbrach ein leises Schluchzen die gespenstische Stille.
Die Kommissarin riss ihre Augen endlich von der Fotografie los und sah sich um. Auf dem Wohnzimmertisch stand zwar ein mit Kippen überfluteter Aschenbecher, aber die Blonde traute sich trotzdem nicht, ihre Schachtel mit den Aktiven aus der Tasche zu holen und sich eine anzuzünden.
»Sollen wir jemanden anrufen?«, fragte Hofmann, der sich in den
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