Der Dominoeffekt
und deutete mit dem Daumen nach draußen, als ihn ein Geräusch herumfahren ließ. Vor den Lagerhallen war etwas umgefallen, gleich darauf war ein unterdrücktes Stöhnen zu hören. Irgendjemand trieb sich da herum…
48
Ion Illic schrak auf seinem Schemel hoch, er war tatsächlich ein wenig eingenickt. Langsam, aber sicher machte sich der Schlafmangel bemerkbar.
Der junge Rumäne brauchte ein paar Sekunden, bis er sich wieder orientiert hatte. Ein Geräusch war es gewesen, das ihn geweckt hatte. Vorsichtig schaute er aus dem eingeschlagenen Fenster des leer stehenden Hauses, von dem aus er einen ungehinderten Blick auf die Anlagen des Güterbahnhofes hatte. Fast in der Mitte des Platzes parkte ein silberner Mercedes, Illic sah gerade noch, wie ein elegant gekleideter Mann die schmutzigen Betonstufen zu den Eingängen der Hallen emporstieg. War das der Mann, auf den er gewartet hatte?
Leise fluchend stand er auf und drückte sich an die unverputzte Wand. Wenn er doch nur etwas mehr wüsste! Toralf hatte ihm nur von diesem Treffpunkt am Güterbahnhof erzählen können.
Aber anscheinend war er hier richtig, heute Morgen, in aller Frühe, war schon der andere Typ aufgetaucht, in einer der Hallen verschwunden und seitdem nicht mehr zum Vorschein gekommen.
Illic hatte gezögert. Der Mann war kräftig gebaut, ihm an Stärke deutlich überlegen. Eine Schusswaffe hatte er nicht auftreiben können, aber in dem Gebäude, in dem er dann seinen Beobachtungsposten bezogen hatte, befand sich genug Gerümpel, das ihm nützlich werden konnte. Vor allem die handliche, im Durchmesser etwa vier Zentimeter dicke Eisenstange, die jetzt neben dem Schemel an der Wand lehnte, schien ihm für seine Zwecke geeignet.
Er hatte sich entschlossen zu warten und diese Entscheidung war wohl richtig gewesen.
Jetzt, wo seine Rache nicht mehr lange auf sich warten musste, wurde Illic sehr ruhig. Er wollte den beiden Männern, die vermutlich verantwortlich für den Tod seines Bruders waren, ein wenig Zeit gönnen. Wenn sie sich in einer Unterhaltung ganz auf ihr Gegenüber konzentrierten, war seine Chance, unbemerkt an sie heranzukommen, größer. Die Halle hatte nur einen einzigen Ein- und Ausgang, er hatte das natürlich längst gecheckt.
Seufzend nahm der Rumäne endlich die Eisenstange in die Hand und warf einen letzten, prüfenden Blick aus dem Fenster. Im nächsten Moment presste er sich – wieder Deckung suchend – an die Wand. Verdammt, was machte denn die junge Frau da unten?
Der Rumäne kniff die Augen zusammen und sah genau hin. Die unerwartete Besucherin trug anscheinend eine Pistole in der Rechten, genau konnte Illic das wegen des Schattenspiels an der Häuserwand nicht erkennen.
Egal, nichts konnte ihn von seinem Vorhaben abbringen.
Seine Hand umfasste die Eisenstange noch fester, als er sich mit der Schulter von der Wand abstieß und leise zum Treppenhaus schlich.
49
»Los, Hofmann, erzähl mir was. Wo muss ich hin?«
Der Stoppelhaarige krampfte sich mit der Rechten an den Haltegriff über dem Beifahrerfenster und presste mit der Linken das geliehene Handy ans Ohr. Obwohl er angeschnallt war, wurde er in dem Bulli der Gelderner JVA heftig durchgeschüttelt.
»Lass mich in Ruhe zuhören, sobald ich etwas weiß, sage ich es dir schon.«
Katharina prügelte den VW-Bus unbarmherzig auf die niederrheinische Kleinstadt zu und hatte alle Hände voll zu tun, das unhandliche Gefährt in der Spur zu halten. In dem verschwundenen Vectra hätte sie sich selbst wesentlich sicherer gefühlt, ganz zu schweigen von ihrem Sportgeschoss, welches zur Untätigkeit verdammt auf dem Parkplatz vor dem Präsidium auf sein Frauchen wartete.
»Bei der nächsten Gelegenheit musst du links«, brüllte Hofmann gegen den Lärm des protestierenden Motors an. »Schwenke ist abgebogen.«
»Himmel nochmal, wo will die bloß hin?«, meinte die Blonde mehr zu sich selbst und knallte den Blinker schon mal in die Arretierung. An der nächsten Abzweigung angekommen, verringerte sie die Geschwindigkeit gerade mal um zwanzig Stundenkilometer und schleuderte den Wagen in die Kurve. Der Bus stand kurzfristig auf zwei Rädern.
»Bitte, pass auf«, jammerte Hofmann.
»Hör lieber zu«, gab Katharina zurück, wobei ihr der Schrecken nur langsam aus den Gliedern wich. Unmerklich lockerte sie den Druck auf dem Gaspedal.
Unmittelbar nach Schwenkes Verschwinden hatte die Blonde über das Pförtnerhaus des Gefängnisses Kontakt mit dem
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