Der Dorfpfarrer (German Edition)
um so mehr, als sie ihren Gesundheitszustand schwankend werden fühlte. Je mehr die Güter ihres lieben Montégnac gediehen, desto mehr verdoppelte sie die heimlichen Kasteiungen ihres Lebens. Hochwürden Dutheil, mit dem sie immer in brieflichem Verkehr stand, fand den gewünschten Mann für sie. Er sandte aus seiner Diözese einen jungen fünfundzwanzigjährigen Professor namens Ruffin, einen geistvollen Mann, der für den Einzelunterricht wie geschaffen war. Er besaß umfassende Kenntnisse, ein Gemüt von außergewöhnlicher Sensibilität, welche die Strenge nicht ausschloß, die einer, der ein Kind leiten will, nötig hat; bei ihm benachteiligte die Frömmigkeit die Wissenschaft in keiner Weise, endlich war er geduldig und von angenehmem Aeußeren.
»Ich mache Ihnen wirklich ein Geschenk, meine liebe Tochter,« schrieb der Prälat; »der junge Mann ist würdig, eine Prinzenerziehung zu leiten: auch rechne ich damit, daß Sie ihm sein Auskommen sichern werden, denn er wird ja der geistige Vater Ihres Sohnes sein.«
Monsieur Ruffin gefiel Madame Graslins treuen Freunden so gut, daß seine Ankunft in nichts die verschiedenen Intimitäten störte, die sich um diesen Abgott scharten, dessen Stunden und Augenblicke von jedem mit einer gewissen Eifersucht mit Beschlag belegt wurden.
Das Jahr 1843 sah Montégnacs Gedeihen über alle Hoffnungen hinauswachsen. Die Gaboupachtung wetteiferte mit den Pachtungen in der Ebene, und die des Schlosses gab das Beispiel für alle Verbesserungen. Die fünf anderen Pachtungen, deren fortschreitender Zins die Summe von dreißigtausend Franken für jede im zwölften Pachtjahre erreichen mußte, brachten damals im ganzen sechzigtausend Franken Einkünfte. Die Pächter, welche die Früchte ihrer und Madame Graslins Opfer zu ernten begannen, konnten nun die Wiesen der Ebene, wo Gras von erster Güte wuchs, das keine Trockenheit zu befürchten hatte, verbessern. Die Gaboupachtung bezahlte froh eine erste Pachtsumme von viertausend Franken. In diesem Jahre richtete ein Montégnacer eine Schnellpost ein, die vom Bezirkshauptort nach Limoges ging und alle Tage sowohl vom Hauptort als auch von Limoges abfuhr. Monsieur Clousiers Neffe verkaufte seine Amtsschreiberstelle und setzte die Errichtung eines Notariats zu seinen Gunsten durch. Die Verwaltung ernannte Fresquin zum Bezirkssteuereinnehmer. Der neue Notar baute sich in Ober-Montégnac ein hübsches Haus, pflanzte Maulbeerbäume auf den dazu gehörigen Ländereien an und wurde Gérards Beigeordneter. Der durch soviel Erfolg kühn gewordene Ingenieur faßte einen Plan, der dazu angetan war, Madame Graslin ein ungeheures Vermögen einzubringen, die in diesem Jahre wieder in den Besitz ihrer für die aufzunehmende Anleihe verpfändeten Renten gelangte. Er wollte den kleinen Fluß kanalisieren und die überflüssigen Gabougewässer hineinleiten. Dieser Kanal, der in die Vienne münden sollte, würde die Ausbeutung des zwanzigtausend Arpents großen ungeheuren Montégnacer Waldes erlauben, der von Colorat wundervoll unterhalten wurde und mangels Transportmöglichkeiten keinerlei Einkünfte gewährte. Jährlich konnte man, bei einem Ausbeutungsturnus von zwanzig Jahren, tausend Arpents fällen, und so kostbare Bauhölzer nach Limoges schicken.
Das war Gérards Plan, der seinerzeit wenig auf des Pfarrers Absichten hinsichtlich der Ebene gehört und sich innerlich viel mehr mit der Kanalisation des kleinen Flusses beschäftigt hatte.
V
Véronique am Grabesrande
Zu Beginn des folgenden Jahres bemerkten die Freunde trotz Madame Graslins Gemütsruhe die Vorboten und Symptome eines nahen Todes an ihr. Auf alle Einwände Roubauds, auf die erfinderischsten aller scharfsinnigsten Fragen gab Véronique die nämliche Antwort: »sie fühle sich vortrefflich gut.« Im Frühling aber besuchte sie ihre Wälder, ihre Pächtereien und ihre schönen Wiesen und bekundete eine kindliche Freude dabei, die auf traurige Vorahnungen in ihr hindeuteten.
Als Gérard sich genötigt sah, eine kleine Betonmauer von dem Gabouwehr bis zum Montégnacer Park am Fuße des besagten Hügels der Corrèze entlang zu ziehen, kam er auf die Idee, den Wald von Montégnac einzuschließen und mit dem Park zu vereinigen. Madame Graslin wies jährlich dreißigtausend Franken für dies Unternehmen an, das eine mindestens siebenjährige Arbeit erforderte, den schönen Wald aber den Rechten entzog, welche die Verwaltungsbehörde auf die nicht eingefriedigten Wälder der Privatleute
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