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Der Dorfpfarrer (German Edition)

Der Dorfpfarrer (German Edition)

Titel: Der Dorfpfarrer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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ausübt. Die drei Weiher des Gaboutales mußten dann im Parke liegen. Jeder dieser, stolz See genannten Weiher hatte seine Insel. Dieses Jahr hatte Gérard in Uebereinstimmung mit Grossetête eine Ueberraschung für Madame Graslins Geburtstag vorbereitet. Auf der größten dieser Inseln, der zweiten, hatte er eine kleine Kartause gebaut, die ziemlich ländlich, innen aber von vollkommener Eleganz war. Der alte Bankier hatte teil an dieser Verschwörung, bei der Farrabesche, Fresquin und die meisten reichen Leute Montégnacs und Clousiers Neffen mitwirkten. Grossetête sandte ein hübsches Mobiliar für die Kartause. Der nach dem von Vevay kopierte Glockenturm war von einer reizenden Wirkung in der Landschaft. Sechs Boote, für jeden Weiher zwei, waren in der Winterzeit von Farrabesche und Guépin unter Beihilfe des Montégnacer Zimmermanns gebaut, bemalt und aufgetakelt worden.
    Mitte Mai also, nach dem Frühstück, das Madame Graslin ihren Freunden gab, wurde sie von ihnen durch den Park, der von Gérard, welcher ihn seit fünf Jahren als Architekt und als Naturfreund pflegte, prachtvoll ausgestaltet worden war, nach der hübschen Wiese des Gaboutales geleitet, wo am Ufer des ersten Sees die beiden Boote schwammen. Diese von einigen klaren Bächen benetzte Wiese war am Fuße des schönen Amphitheaters angelegt worden, wo das Gaboutal anfängt. Sorgsam veredelte Bäume, die anmutige Gruppen oder reizende Ausschnitte für das Auge bildeten, umfaßten die Wiese und verliehen ihr ein für die Seele süßes Bild der Einsamkeit. Auf einer Anhöhe hatte Gérard ganz gewissenhaft jene Sennhütte aus dem Sittener Tale nachgebaut, die auf dem Wege nach Brig steht und von allen Reisenden bewundert wird. Man wollte dort Kühe und die Milchwirtschaft für das Schloß unterbringen. Von der Galerie aus überblickte man die von dem Ingenieur geschaffene Landschaft, welche die Seen einem der hübschesten Schweizer Eindrücke gleichwertig machten. Der Tag war köstlich. Am blauen Himmel nicht eine Wolke; auf dem Erdboden tausend anmutige Ueberraschungen, wie sie der schöne Maimond mit sich bringt. Die vor zehn Jahren an den Rändern angepflanzten Bäume: Trauerweiden, Salweiden, Erlen, Eschen, holländische Weißbuchen, italienische und virginische Pappeln, Weiß- und Rotdornsträucher, Akazien, Birken, alle in auserlesenen Exemplaren, alle so verteilt, wie der Boden sowohl wie ihre Physiognomie es verlangte, hielten in ihrem Blätterwerk einige aus den Gewässern entstandene Nebelschwaden zurück, die leichten Rauchwolken glichen. Das Wasserbecken, klar wie der Spiegel und ruhig wie der Himmel, strahlte die hohen grünen Waldmassen zurück, deren rein in der feuchten Atmosphäre abgezeichnete Gipfel lebhaft gegen die in ihre hübschen Schleier gehüllten Buschwerke unter ihnen abstachen. Die durch breite Dammwege getrennten Seen bildeten drei Spiegel mit verschiedenen Reflexen, in melodischen Kaskaden strömten die Gewässer des einen in den anderen.
    Diese Dammwege ermöglichten es, vom einen Ufer zum anderen zu gelangen, ohne das Tal zu umschreiten. Durch eine Schneise erblickte man von der Sennhütte aus die undankbare Steppe der kreidigen und unfruchtbaren Gemeindeweiden, die, vom letzten Balkon aus gesehen, dem offenen Meere glich und mit der frischen Natur des Sees und seiner Ufer kontrastierte. Als Véronique die Freude ihrer Freunde sah, die ihr die Hand hinreichten, um sie in das größte der Boote einsteigen zu lassen, standen ihr Tränen in den Augen und sie schwieg bis zu dem Augenblick, wo sie am ersten Dammweg landete. Als sie hinaufstieg, um sich auf dem zweiten Kahne einzuschiffen, sah sie die Kartause und dort Grossetête mit seiner ganzen Familie auf einer Bank sitzen.
    – »Alle wollen sie mich wohl das Leben bedauern lassen?« sagte sie zum Pfarrer.
    »Wir wollen Sie am Sterben hindern,« antwortete Clousier.
    »Toten gibt man kein Leben zurück,« erwiderte sie.
    Monsieur Bonnet warf einen strengen Blick auf sein Beichtkind, der es in sich selbst Einkehr halten ließ.
    »Lassen Sie mich doch nur für Ihre Gesundheit sorgen,« sagte Roubaud mit sanfter flehender Stimme zu ihr; »ich werde dem Bezirke ganz sicher seinen lebenden Ruhm und allen Ihren Freunden das Band ihres gemeinsamen Lebens erhalten.«
    Véronique senkte den Kopf und Gérard ruderte langsam nach der Insel, die inmitten dieses breitesten der drei Seen lag, und wo das Gemurmel der Gewässer des ersten, damals allzu vollen von ferne widerhallte

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