Der Dorfpfarrer (German Edition)
pockennarbiges Gesicht bestreut waren, nur schwer erraten. Seine Stirne entbehrte des Adels nicht, sie glich der klassischen Stirn, die von allen Malern dem heiligen Petrus, dem rauhesten, populärsten und auch listigsten der Apostel, verliehen wird. Seine Hände waren die eines unermüdlichen Arbeiters, breit, dick, viereckig und durch alle Arten von kräftigen Rissen gefurcht. Sein Brustkorb wies eine unzerstörbare Muskulatur auf. Nie gab er seinen Jahrmarktströdleranzug auf: derbe eisenbeschlagene Schuhe, blaue Strümpfe, die von seiner Frau gestrickt worden waren und unter Ledergamaschen verborgen wurden, eine flaschengrüne Sammethose, eine karierte Weste, an welcher der Kupferschlüssel seiner silbernen Uhr an einer eisernen Kette hing, welche der Gebrauch glänzend und poliert wie Stahl gemacht hatte, einen kurzen Schoßrock aus ähnlichem Sammet wie dem der Hose; dann um den Hals eine durch das Scheuern des Bartes abgenutzte bunte Rouener Baumwollkrawatte. An Sonn- und Feiertagen trug Sauviat einen kastanienbraunen Ueberrock, der so geschont wurde, daß er ihn in zwanzig Jahren nur zweimal zu erneuern brauchte. Das Leben der Zuchthäusler kann man mit dem der Sauviat verglichen, luxuriös nennen: nur an hohen Festtagen aßen sie Fleisch. Ehe die Sauviat das für das tägliche Leben notwendige Geld ausgab, wühlte sie in ihren beiden zwischen Rock und Unterrock versteckten Taschen herum und kriegte nur schlechte beschnittene Sechs-Livresoder Fünfzig-Sous-Stücke heraus, die sie verzweiflungsvoll betrachtete, ehe sie eins wechselte. Die meiste Zeit über begnügten die Sauviat sich mit Heringen, roten Erbsen, Käse, harten, unter Salat gemengten Eiern und Gemüsen, die auf die am wenigsten kostspielige Art gewürzt wurden. Niemals kauften sie Vorräte außer einigen Butten Knoblauch und Zwiebeln, bei denen man nichts zu befürchten hatte und die nicht viel kosteten. Das bißchen Holz, das sie im Winter verbrauchten, kaufte die Sauviat vorüberziehenden Reisholzbindern und immer von Tag zu Tage ab. Um sieben Uhr im Winter, Sommer um neun Uhr lag die Familie im Bett, war der Laden geschlossen und von ihrem riesigen Hunde bewacht, der seinen Lebensunterhalt in den Küchen des Stadtteils suchte. Mutter Sauviat gebrauchte für keine drei Franken Kerzen im Jahr.
Das nüchterne und arbeitsame Leben dieser Leute wurde durch eine Freude, aber eine natürliche Freude belebt, für die sie ihre einzigen, bekannt gewordenen Ausgaben machten. Im Mai 1802 hatte die Sauviat eine Tochter. Sie kam ganz allein nieder und nahm fünf Tage später die Sorge für den Haushalt wieder auf sich. Sie nährte ihr Kind selber auf dem Stuhle mitten im Winde und fuhr fort, Alteisen zu verkaufen, während sie ihre Kleine stillte. Da ihre Milch nichts kostete, ließ sie ihre Tochter, die sich nicht schlecht dabei befand, zwei Jahre über trinken.
Véronique wurde das schönste Kind der Unteren Stadt; die Passanten blieben stehen, um sie anzuschauen. Damals bemerkten die Nachbarn bei dem alten Sauviat einige Spuren von Empfindsamkeit, denn man hatte ihn ihrer gänzlich bar geglaubt. Während sein Weib das Essen bereitete, hielt der Trödler die Kleine zwischen seinen Armen und wiegte sie, indem er ihr Auvergnater Refrains dabei vorsang. Die Arbeiter sahen ihn manchmal unbeweglich, die auf den Knien ihrer Mutter eingeschlafene Véronique betrachtend. Für seine Tochter dämpfte er seine rauhe Stimme, wischte er seine Hände an seiner Hose ab, ehe er sie hinnahm. Als Véronique zu laufen anfing, setzte sich der Vater in die Knie und stellte sich vier Schritte von ihr auf, indem er die Arme nach ihr ausstreckte und Mienen schnitt, welche die metallischen und tiefen Falten seines düsteren und strengen Gesichtes freudig zusammenzogen. Dieser Mensch von Blei, Eisen und Kupfer wurde wieder ein Mensch von Blut, Knochen und Fleisch. Stand er, den Rücken gegen seinen Pfeiler gestützt, unbeweglich wie ein Steinbild, ein Schrei Véroniques brachte ihn in Bewegung; er sprang durch den Alteisenkram, um sie zu finden, denn sie verbrachte ihre Kindheit damit, in den Tiefen dieses wüsten Kramladens mit den Trümmern aufgeschichteter Schlösser zu spielen, ohne sich jemals zu verletzen. Auch spielte sie auf der Straße und bei Nachbarn, ohne daß das Mutterauge sie aus dem Blicke verlor. Es ist nicht überflüssig zu sagen, daß die Sauviat sehr fromm waren. Inmitten der Revolutionswirren hielt Sauviat streng an den Sonn- und Feiertagen fest. Zweimal
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