Der Dorfpfarrer (German Edition)
zerstören einen bestimmten Zusammenklang. Die tiefen und unregelmäßigen Risse im Gewebe entstellten die Reinheit des Profils, die Feinheit des Gesichtsschnittes, die der Nase, deren griechische Form kaum erkennbar blieb, und die des Kinns, das zart war wie der Rand eines weißen Porzellans. Die Krankheit verschonte nur, was sie nicht erreichen konnte, die Augen und Zähne. Véronique verlor nicht auch noch die Eleganz und Schönheit ihres Körpers, weder die Fülle seiner Linien, noch die Anmut ihrer Figur. Sie war mit fünfzehn Jahren ein schönes Geschöpf und, was die Sauviat tröstete, eine fromme und gute, viel beschäftigte, arbeitsame und häusliche Tochter. In ihrer Genesungszeit und nach ihrer ersten Kommunion gaben ihre Eltern ihr die beiden im zweiten Stock gelegenen Zimmer zum Bewohnen. So hart Sauviat gegen sich und seine Frau war, damals zeigte er einige Spuren von Wohlstand; es stieg eine vage Idee in ihm auf, seine Tochter über einen Verlust trösten zu müssen, den sie noch nicht kannte. Die Beraubung jener Schönheit, die der Stolz der beiden Leute gewesen war, machte ihnen Véronique noch teurer und kostbarer. Eines Tages schleppte Sauviat einen gebrauchten Teppich auf seinem Rücken an und nagelte ihn selber in Veroniques Zimmer fest. Bei einem Schloßverkauf hob er für sie das rote Damastbett einer großen Dame, die Vorhänge, die Sessel und Stühle aus demselben Stoffe auf. Er möblierte mit allen Sachen, deren Wert ihm immer unbekannt war, die beiden Zimmer, worin seine Tochter lebte. Er setzte Resedatöpfe auf ihr Fensterbrett, und brachte von seinen Fahrten bald Rosenstöcke, bald Nelken, alle Blumenarten mit, die ihm zweifelsohne Gärtner und Herbergsbesitzer schenkten. Wenn Véronique hätte Vergleiche anstellen, den Charakter, die Sitten und die Unwissenheit ihrer Eltern erkennen können, würde sie gewußt haben, wieviel Liebe aus diesen Kleinigkeiten sprach; aber sie liebte sie mit einem ausgezeichneten Naturell und ohne Ueberlegung. Véronique trug das feinste Linnen, das ihre Mutter bei den Händlern finden konnte. Die Sauviat überließ es dem freien Ermessen ihrer Tochter, die Stoffe für ihre Kleider zu kaufen, welche sie sich wünschte. Vater und Mutter waren glücklich über die Bescheidenheit ihrer Tochter, die keinen kostspieligen Geschmack besaß. Véronique gab sich mit einem blauseidenen Kleide für die Festtage zufrieden und trug an Werkeltagen ein derbes Merinokleid im Winter, zur Sommerzeit gestreiften feinen Kattun. Sonntags ging sie mit Vater und Mutter in den Gottesdienst, und nach der Vesper die Vienne entlang oder in die Umgebung spazieren. An gewöhnlichen Tagen blieb sie zu Hause, beschäftigte sich mit einer Stickerei, deren Erlös den Armen gehörte; so besaß sie die einfachsten, keuschesten und musterhaftesten Sitten. Manchmal machte sie Leinwand für die Hospitale. Zwischen den Arbeiten widmete sie sich der Lektüre und las keine andern Bücher wie die ihr der Vikar von Saint-Étienne gab, ein Priester, dessen Bekanntschaft mit den Sauviat Schwester Marthe vermittelt hatte.
Für Véronique waren übrigens die Gesetze der häuslichen Sparsamkeit aufgehoben. Ihre Mutter, die selig war, ihr etwas Nahrhaftes vorzusetzen, ließ sie selber eigene Küche führen. Vater und Mutter aßen stets ihre Nuß und ihr hartes Brot, ihre Heringe und ihre in Salzbutter geschmorten Erbsen, während für Véronique nichts frisch und nichts gut genug war. – »Veronique muß euch viel Geld kosten,« sagte zum alten Sauviat ein gegenüberwohnender Hutmacher, der für seinen Sohn Absichten auf Véronique hatte, da er des Alteisenhändlers Vermögen auf hunderttausend Franken schätzte.
»Ja, Nachbar, ja, Nachbar, ja!« antwortete der alte Sauviat; »sie könnte mich um zehn Taler bitten, ich würde sie ihr sofort geben. Sie hat alles, was sie will; nie aber fordert sie etwas. Sanft ist sie wie ein Lamm!« Tatsächlich kannte Véronique den Preis der Sachen nicht; niemals hatte sie etwas nötig; Goldstücke sah sie erst am Tage ihrer Heirat; eine Börse hatte sie nie bei sich, ihre Mutter kaufte und gab ihr alles nach Wunsch, so daß sie, um einem Armen ein Almosen zu geben, in ihrer Mutter Taschen faßte.
»Sie kostet euch nicht viel,« sagte dann der Hutmacher.
»Ja, das glaubt Ihr!« antwortete Sauviat, »mit vierzig Talern für sie würdet Ihr noch nicht auskommen jährlich. Und ihr Zimmer. Sie hat bei sich für mehr als hundert Taler Möbel; doch wenn man nur eine
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