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Der Dorfpfarrer (German Edition)

Der Dorfpfarrer (German Edition)

Titel: Der Dorfpfarrer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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werden? Sie lieben die Blumen an sich, während ich sie liebe, wie ich eine schöne Musik zu hören liebe. Wie ich Ihnen also sagte, mir fehlt das Geheimnis einer Menge Dinge ... Sie, mein alter Freund, haben eine Leidenschaft, Sie sind Gärtner. Bei Ihrer Rückkehr in die Stadt teilen Sie mir bitte Ihren Geschmack mit, sorgen Sie dafür, daß ich mit schnellem Fuße in mein Gewächshaus gehe, wie Sie in Ihres gehen, um die Entfaltung der Pflanzen zu betrachten; Sie vergehen und blühen mit ihnen, bewundern, was Sie geschaffen haben; neue, unerwartete Farben sehen Sie sich dank Ihrer Sorgfalt entfalten und unter Ihren Augen wachsen. Ich fühle eine herzzerreißende Langeweile. Mein eigenes Gewächshaus enthält nur duldende Seelen. Das Elend, das ich mich zu lindern bemühe, betrübt meine Seele; und wenn ich es zu meinem eigenen mache, wenn ich, nachdem ich eine junge Frau ohne Linnen für ihr Neugeborenes, irgendeinen Greis ohne Brot gesehen, deren Bedürfnisse befriedigt habe, genügen die Gemütsbewegungen, welche mir ihre beruhigte Herzensangst verursacht hat, meiner Seele nicht. Ach, lieber Freund, ich fühle in mir stolze und vielleicht bösartige Kräfte, die nichts zu demütigen vermag, welche die härtesten Gebote der Kirche nicht schwächen. Wenn ich meine Mutter besuche und mich allein auf dem Felde befinde, überkommt mich die Lust zu schreien, und ich schreie. Mein Körper scheint das Gefängnis zu sein, worin irgendein böser Geist ein Geschöpf, ein seufzendes, zurückhält, das auf die geheimnisvollen Worte wartet, die eine lästige Form zerbrechen müssen. Doch der Vergleich ist nicht richtig. Ist's nicht bei mir im Gegenteil der Leib, der sich langweilt, wenn ich diesen Ausdruck anwenden kann? Beschäftigt nicht die Religion meine Seele? Nähren nicht Lektüre und ihre Reichtümer unaufhörlich mein Gemüt? Darum ersehne ich ein Leiden, das den entnervenden Frieden meines Lebens brechen würde. Wenn mir nicht irgendein Gefühl, irgendeine zu kultivierende Manie zu Hilfe kommt, sink ich, das fühle ich, in einen Schlund, wo alle Ideen stumpf werden, wo der Charakter sich verkleinert, wo Spannkräfte erschlaffen, wo die guten Eigenschaften einschlummern, wo alle Kräfte der Seele sich zerstreuen, und wo ich nicht mehr das Geschöpf sein werde, welches die Natur gewollt hat, daß ich sei. Das wollen meine Schreie sagen ... Mögen diese Schreie Sie nicht daran hindern mir Blumen zu schicken! Ihre so süße und so wohlwollende Freundschaft hat mich seit einigen Monaten mit mir selber ausgesöhnt. Ja, ich fühle mich glücklich in dem Bewußtsein, daß Sie einen Freundesblick auf meine gleichzeitig öde und blühende Seele werfen, daß Sie ein sanftes Wort finden, um die Flüchtige und halb Zerbrochne, die das feurige Traumroß bestiegen hat, bei ihrer Rückkehr zu bewillkommnen.«
    Als am Ende seines dritten Ehejahres Graslin sah, daß seine Frau seine Pferde nicht mehr benutzte, und er sie vorteilhaft losschlagen konnte, verkaufte er sie; er verkaufte auch die Wagen, schickte den Kutscher fort, ließ sich seinen Koch vom Bischof wegmieten und ersetzte ihn durch eine Köchin. Er gab seiner Frau nichts mehr und sagte, daß er alle Rechnungen bezahlen würde. Er war der glücklichste Ehemann der Welt, da sein Wille auf keinen Widerstand bei der Frau stieß, die ihm eine Million an Vermögen eingebracht hatte. Madame Graslin, die ernährt und erzogen war, ohne Geld zu kennen, ohne genötigt zu sein, es wie ein notwendiges Element in das Leben eintreten zu lassen, konnte sich ihre Entsagung nicht zum Verdienste anrechnen. Graslin fand in der Sekretärecke die Summen wieder, die er seiner Frau eingehändigt hatte, abzüglich des Almosengeldes und des für die Toilette, die dank der verschwenderischen Aussteuer wenig kostspielig gewesen war. Graslin rühmte Véronique in ganz Limoges als das Muster der Frauen. Er bedauerte den Luxus seiner Einrichtung und ließ alles einpacken. Das Schlafzimmer, das Boudoir und der Ankleideraum seiner Frau wurden von diesen Schonungsmaßnahmen ausgeschlossen, die nichts schonten, denn Möbel nutzen sich ebensogut unter den Schutzhüllen ab wie ohne Schutzhüllen. Er bewohnte das Erdgeschoß seines Hauses, wo seine Büros untergebracht worden waren, nahm dort sein früheres Leben wieder auf und jagte den Geschäften mit der gleichen Betriebsamkeit nach wie in der Vergangenheit. Der Auvergnate hielt sich für einen ausgezeichneten Ehemann, weil er beim Mittagessen und

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