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Der Dorfpfarrer (German Edition)

Der Dorfpfarrer (German Edition)

Titel: Der Dorfpfarrer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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Täuschungen seiner Frau hörte, daß das geforderte Geld weder für den Haushalt noch für die Toilette ausgegeben wurde. Er geriet in Zorn, als er überschlug, was die Barmherzigkeit seiner Frau seine Kasse kostete. Er wollte mit der Köchin abrechnen, mäkelte kleinlich an den Ausgaben herum und zeigte, welch ein Verwaltungsgenie er war, indem er durch die Praxis bewies, daß sein Haus mit tausend Talern glänzend geführt werden könnte. Dann einigte er sich, um für nichts weiter zu stehen, mit seiner Frau über ihre Ausgaben, bewilligte ihr hundert Franken monatlich und rühmte diese Abmachung wie eine königliche Freigebigkeit. Der sich selbst überlassene Garten seines Hauses wurde am Sonntage von dem Laufburschen, der Blumen liebte, »bestellt«. Nachdem er den Gärtner fortgeschickt hatte, verwandelte Graslin das Warenhaus in einen Speicher, worin er die bei ihm als Garantie für Leihgelder hinterlegten Waren aufhob. Die Vögel des großen, über dem Eiskeller errichteten Vogelhauses ließ er Hungers sterben, um ihre Ernährungskosten zu sparen. Endlich berief er sich auf einen Winter, wo es gar nicht fror, um den Transport des Eises nicht mehr bezahlen zu müssen. Widerspruchslos herrschte die Sparsamkeit im Hotel Graslin. Der Teint des Herrn, der sich während der drei verflossenen Jahre bei seiner Frau, die ihn die ärztlichen Vorschriften peinlich genau befolgen ließ, gebessert hatte, wurde röter, glühender, unreiner als in vergangenen Zeiten. Die Geschäfte erlangten eine so große Ausdehnung, daß dem Laufburschen wie ehedem dem Herrn Kassiererfunktionen eingeräumt wurden, und daß man einen Auvergnaten für die groben Arbeiten des Hauses Graslin suchen mußte. So konnte die so reiche Frau vier Jahre nach ihrer Heirat über keinen Pfennig verfügen. Dem Geize ihrer Eltern folgte der Geiz ihres Gatten. Madame Graslin begriff die Notwendigkeit des Geldes erst in dem Augenblicke, wo ihr Wohltätigkeitsdrang sich ohnmächtig sah.
    Zu Beginn des Jahres 1828 hatte Véronique die blühende Gesundheit wieder erlangt, die das unschuldige junge Mädchen, das an seinem Fenster in dem alten Hause der rue de la Cité saß, so schön machte; doch sie hatte nun eine große literarische Bildung erlangt, sie verstand sowohl zu denken als auch zu sprechen. Ein ausgezeichnetes Urteil verlieh ihren Worten Tiefe. Vertraut mit den Kleinigkeiten der großen Welt, trug sie mit unendlicher Anmut modische Kleider. Wenn sie in diesen Zeiten zufällig wieder in einem Salon erschien, sah sie sich, nicht ohne Ueberraschung, von einer gewissen ehrfurchtsvollen Schätzung umgeben. Dies Gefühl und diese Aufnahme verdankte sie den beiden Generalvikaren und dem alten Grossetête. Unterrichtet wie sie es von einem so verborgenen und mit ständigen Wohltaten so angefülltem schönen Leben waren, hatten der Bischof und einige einflußreiche Persönlichkeiten von dieser Blume wahrer Frömmigkeit, von diesem tugendduftenden Veilchen gesprochen; und es trat dann zu Madame Graslins Gunsten und ohne ihr Wissen eine jener Reaktionen ein, die langsam vorbereitet um so mehr Dauer und Solidität besitzen. Dieser Meinungsumschwung zog den Einfluß von Véroniques Salon, der von dem Jahre an von den Spitzen der Stadt eifrig besucht wurde, nach sich, und zwar auf folgende Weise: Gegen Ende des Jahres wurde der junge Vicomte de Granville in seiner Eigenschaft als Staatsanwaltsgehilfe in das Parkett des Limoger Gerichtshofs geschickt; ihm ging der Ruf voran, den man allen Parisern in der Provinz stets im voraus beilegt. Einige Tage nach seiner Ankunft antwortete er in einer großen Präfekturgesellschaft auf eine ziemlich törichte Frage, daß Madame Graslin die liebenswürdigste, geistreichste und vornehmste Dame der Stadt wäre.
    »Ist sie vielleicht auch die schönste?« fragte die Frau des Generaleinnehmers.
    »Vor Ihnen wage ich das nicht zuzugeben,« erwiderte er. »Ich bin mir dann im Zweifel. Madame Graslin besitzt eine Schönheit, die Ihnen keine Eifersucht einflößen darf, sie zeigt sich nie am hellen Tage. Schön ist Madame Graslin für Leute, die sie liebt, und Sie sind für jedermann schön. Auf Madame Graslins Gesicht verbreitet die Seele, wenn sie durch eine wahre Begeisterung einmal in Bewegung gesetzt wird, einen Ausdruck, der sie selber verwandelt. Ihre Physiognomie ist wie eine im Winter traurige, im Sommer strahlende Landschaft; die große Welt aber wird sie immer im Winter sehen. Wenn sie mit ihren Freunden über irgendeinen

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