Der Dorfpfarrer (German Edition)
Frühstück, die durch die Sorgfalt seiner Frau zubereitet wurden, zugegen war, doch seine Unpünktlichkeit war so groß, daß er es nicht dahin brachte, die Mahlzeiten zehnmal im Monat mit ihr zu beginnen; aus Zartgefühl verlangte er jedoch, daß sie ihn nicht erwarte. Nichtsdestoweniger harrte Véronique, bis Graslin gekommen war, um selber ihn zu bedienen, da sie ihrer Gattinnenpflicht wenigstens an irgendeinem sichtbaren Punkte genügen wollte. Niemals bemerkte der Bankier, dem die ehelichen Angelegenheiten ziemlich gleichgültig waren und der in seiner Frau nur siebenmalhunderttausend Franken gesehen hatte, Véroniques Abneigung. Unmerklich vernachlässigte er Madame Graslin über den Geschäften. Als er ein Bett in das an seinen Arbeitsraum stoßende Zimmer stellen wollte, beeilte sie sich ihn zu befriedigen. So befanden sich diese beiden schlecht zueinander passenden Leute drei Jahre nach ihrer Heirat wieder in ihrer anfänglichen Sphäre, einer wie der andere glücklich, in sie wieder zurückzukehren. Der achtzehnhunderttausend Franken reiche Geldmann griff mit um so mehr Wucht auf seine geizigen Gewohnheiten zurück, als er sie für Augenblicke aufgegeben hatte; seine beiden Gehilfen und sein Laufbursche wurden besser untergebracht, ein bißchen besser genährt; das war der Unterschied zwischen Gegenwart und Vergangenheit. Seine Frau hatte eine Köchin und eine Kammerfrau, zwei unerläßliche Dienstboten; aber außer dem absolut Notwendigen ging nichts für den Haushalt aus seiner Kasse. Glücklich über die Wendung, welche die Dinge nahmen, sah Véronique in des Bankiers Wohlfahrt den Ersatz für diese Trennung, die sie niemals verlangt haben würde: sie konnte Graslin nicht so unangenehm sein, wie Graslin auf sie abstoßend wirkte. Diese heimliche Trennung machte sie traurig und froh zugleich, sie rechnete mit der Mutterschaft, um ihrem Leben einen Inhalt zu geben, aber trotz ihrer gegenseitigen Resignation hatten die beiden Eheleute das Jahr 1828 erreicht, ohne ein Kind zu bekommen.
So befand Madame Graslin sich mitten in ihrem prachtvollen Hause und von einer ganzen Stadt beneidet in der gleichen Einsamkeit wie in ihres Vaters Spelunke, aber noch um die Hoffnung, um die kindlichen Freuden der Unwissenheit betrogen. Sie lebte dort in den Trümmern ihrer Luftschlösser, durch eine traurige Erfahrung aufgeklärt, durch ihren religiösen Glauben gestützt und mit den Armen der Stadt beschäftigt, die sie mit Wohltaten überhäufte. Sie machte Wickelzeug für die Kinder und gab Matratzen und Leinlaken für Leute her, die auf dem Stroh schliefen. Ueberall ging sie hin, gefolgt von ihrer Kammerfrau, einer jungen Auvergnatin, die ihre Mutter ihr besorgt hatte und die mit Leib und Seele an ihr hing. Aus ihr machte sie eine tugendhafte Spionin, welche die Orte entdecken mußte, wo es ein Leiden zu lindern, ein Unglück zu mildern galt. Diese wirksame Wohltätigkeit, die mit der strikten Erfüllung der religiösen Pflichten Hand in Hand ging, wurde in eine strenge Heimlichkeit eingehüllt und überdies von den Pfarrern der Stadt geleitet, mit denen sich Véronique über alle ihre guten Werke verständigte, um das unverdientem Unglück nützliche Geld nicht in die Hände des Lasters fallen zu lassen. Während dieser Zeit erwarb sie eine ebenso lebhafte, ganz so kostbare Freundschaft wie die des alten Grossetête: sie wurde das vielgeliebte geistliche Schäflein eines höheren Priesters, der seines unverstandenen Verdienstes wegen verfolgt wurde, eines der Großvikare der Diözese, namens Abbé Dutheil. Dieser Priester gehörte zu dem sehr kleinen Teil des französischen Klerus, der zu einigen Konzessionen neigt, der die Kirche mit den Volksinteressen verbinden will, um sie durch die Anwendung der wahren evangelischen Doktrinen ihren alten Einfluß auf die Massen wieder gewinnen zu lassen, die er dann wieder mit der Monarchie zusammenbringen könnte. Sei es, daß Abbé Dutheil die Unmöglichkeit, die römische Kurie und den hohen Klerus aufzuklären, eingesehen, sei es, daß er seine Meinungen denen seiner Vorgesetzten geopfert hatte, er blieb in den Grenzen der strengsten Orthodoxie, obgleich er wußte, daß die bloße Bekanntgebung seiner Prinzipien ihm den Weg zum Episkopat verrammelte. Dieser hervorragende Priester vereinigte eine große christliche Demut und einen großen Charakter in sich. Ohne Stolz und Ehrgeiz verharrte er an seinem Posten und erfüllte dort inmitten der Gefahren seine Pflichten. Die
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