Der Dorfpfarrer (German Edition)
verlängerten Schatten ihrer bereits gelbgefärbten Wipfel zu teilen, denen die Sonne den Anschein eines goldenen Blätterdachs verlieh. Die Schimmer des Sonnenuntergangs, verschieden zurückgestrahlt durch die Massen von verschiedenem Grün, erzeugten eine wunderbare Mischung aller schwermutsvollen Töne. Im Talgrunde bebte unter der leichten, Abendbrise eine weite Fläche mit Flittern bestreuter Sprudel in der Vienne und ließ die braunen Flächen hervortreten, welche die Dächer der Vorstadt Saint-Étienne vorstellten. Die in Licht getauchten Glockentürme und Giebel der Vorstadt Saint-Martial vermischten sich mit den Reben der Weingeländer. Das leise Murmeln einer in dem zurückweichenden Bogen des Flusses halb versteckten Provinzstadt, die milde Luft, alles trug dazu bei, den Prälaten in die Ruhe zu versenken, welche von allen Autoren, die über die Verdauung geschrieben haben, gefordert wird. Seine Augen waren mechanisch auf das rechte Flußufer geheftet, auf die Stelle, wo die langen Schatten der Inselpappeln auf der Seite der Vorstadt Saint-Étienne die Mauern des Gehöfts berührten, wo der Doppelmord an dem alten Pingret und seiner Magd geschehen war. Als aber seine kleine augenblickliche Glückseligkeit durch die Schwierigkeiten, an die ihn seine Großvikare erinnerten, getrübt wurde, füllten sich seine Blicke mit undurchdringlichen Gedanken. Die beiden Priester schrieben diese Ablenkung der Langeweile zu, während der Prälat im Gegenteil in den Sandflächen der Vienne das damals von den des Vanneaulx und der Justiz gesuchte Rätselwort sah. »Hochwürden,« sagte, sich dem Bischof nähernd der Abbé de Grancour, »alles ist nutzlos, wir werden den Schmerz haben, den unglücklichen Tascheron gottlos sterben zu sehen: er wird die furchtbarsten Verwünschungen gegen die Religion lostoben, wird den armen Abbé Pascal mit Beleidigungen überhäufen, wird auf das Kruzifix speien und wird alles, selbst die Hölle verneinen!«
»Er wird das Volk erschrecken,« sagte Abbé Dutheil. »Hinter dem großen Skandal und dem Entsetzen, das er einflößen wird, soll sich unsere Niederlage und unsere Ohnmacht verbergen. Auch sagte ich beim Kommen zu Monsieur de Grancour, dies Schauspiel würde mehr als einen armen Sünder in den Schoß der Kirche zurückführen!«
Durch solche Worte verwirrt, stellte der Bischof die Schale mit Trauben, von denen er naschte, auf einen ländlichen Holztisch und wischte sich die Finger ab; dann lud er seine beiden Großvikare durch ein Zeichen zum Platznehmen ein.
»Der Abbé Pascal hat es dumm angefangen!« sagte er endlich.
»Er ist krank von seiner letzten Gefängnisszene,« erwiderte Abbé de Grancour. »Ohne sein Unwohlsein würden wir ihn mitgebracht haben, um die Schwierigkeiten auseinanderzusetzen, die alle die Versuche, die Hochwürden anzustellen befehlen möchte, unmöglich machen.«
»Der Verurteilte singt aus vollem Halse unzüchtige Lieder, sobald er einen von uns erblickt, und übertönt mit seiner Stimme alle Worte, die man ihn hören lassen will,« sagte ein bei dem Bischof sitzender junger Priester. Dieser mit einem reizenden Gesichte begabte junge Mann hielt seinen rechten Arm auf den Tisch gestützt, seine weiße Hand fiel nachlässig auf die Traubenbüschel, von denen er die rötesten Beeren mit der Ungezwungenheit und Vertraulichkeit eines Tischgenossen und Günstlings auswählte. Tischgenosse und Günstling des Prälaten zugleich war dieser junge Mann der jüngste Bruder des Barons von Rastignac, den Familienbande und Verehrung an den Bischof von Limoges knüpften. Bekannt mit den Vermögensgründen, die den jungen Mann der Kirche zugeführt, hatte ihn der Bischof zum Privatsekretär genommen, um ihm Zeit zu lassen, eine Beförderungsgelegenheit abzuwarten. Abbé Gabriel trug einen Namen, der ihn für die höchsten Würden der Kirche bestimmte.
»Bist du denn hingegangen, mein Sohn?« fragte der Bischof.
»Ja, Hochwürden; sobald ich mich vor ihm gezeigt habe, hat der Unglücklichste die ekelhaftesten Beleidigungen gegen Sie und mich ausgespien; er führte sich in einer Weise auf, welche die Anwesenheit eines Prälaten bei ihm unmöglich macht. Wollen Hochwürden mir erlauben, Ihnen einen Rat zu geben?«
»Hören wir die Weisheit an, die Gott manchmal in den Mund der Kinder legt,« sagte der Bischof lächelnd.
»Hat er nicht Bileams Eselin sprechen lassen?« erwiderte lebhaft der junge Abbé de Rastignac.
»Nach gewissen Kommentatoren hat sie nicht allzu
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