Der Dorfpfarrer (German Edition)
genau gewußt, was sie sagte,« erwiderte lachend der Bischof.
Die beiden Großvikare lächelten: erstens ging der Scherz von Hochwürden aus; zweitens verspottete er leise den jungen Abbé, auf den die Würdenträger und die ehrgeizigen Gruppen um den Prälaten eifersüchtig waren.
»Mein Rat,« sagte der junge Abbé, »würde sein, Monsieur de Granville zu bitten, die Hinrichtung noch aufzuschieben. Wenn der Verurteilte erfährt, daß er ein paar Tage Verzug unserer Fürsprache verdankt, wird er vielleicht so tun, als ob er uns zuhörte; und wenn er uns zuhört ...«
»Er wird bei seinem Benehmen verharren, wenn er die Wohltaten sieht, die es ihm einträgt,« sagte der Bischof, seinen Günstling unterbrechend. – »Meine Herren,« fuhr er nach einem augenblicklichen Schweigen fort, »kennt die Stadt all die Einzelheiten?«
»In welchem Hause spricht man nicht darüber?« sagte Abbé de Grancour. »Der Zustand, in welchen den guten Abbé Pascal seine letzten Bemühungen versetzt haben, ist in diesem Augenblick Gegenstand aller Unterhaltungen.«
»Wann muß Tascheron hingerichtet werden?« fragte der Bischof.
»Morgen, am Markttage,« antwortete Monsieur de Grancour.
»Meine Herren, die Kirche darf nicht den kürzeren ziehen,« rief der Bischof. »Je mehr Aufmerksamkeit durch diese Angelegenheit erregt worden ist, desto mehr bestehe ich darauf, einen glänzenden Triumph davonzutragen. Die Kirche befindet sich dabei in schwieriger Lage. Wir sind verpflichtet, Wunder zu wirken in einer Industriestadt, wo der Geist der Auflehnung gegen kirchliche und monarchische Doktrinen tiefe Wurzeln geschlagen hat, wo das vom Protestantismus erzeugte Untersuchungssystem, das sich heute Liberalismus nennt und bereit ist, morgen einen anderen Namen zu führen, sich auf alle Dinge erstreckt. Gehen Sie, meine Herrn, zu Monsieur de Granville, er steht zu uns, und sagen Sie ihm, daß wir eine Frist von einigen Tagen verlangen. Ich will den Unglücklichen aufsuchen!«
»Sie, Hochwürden?« sagte der Abbé de Rastignac. »Würden Sie nicht zu viele Dinge aufs Spiel setzen, wenn Ihr Versuch scheitert? Sie dürfen nur gehn, wenn Sie des Erfolges gewiß sind.«
»Wenn Hochwürden mir erlaubt, meine Meinung zu äußern,« sagte Abbé Dutheil, »glaube ich ein Mittel vorschlagen zu können, das der Kirche den Triumph in dieser traurigen Angelegenheit sichert.«
Der Prälat antwortete mit einem etwas frostigen Einverständniszeichen, das bewies, wie wenig Kredit der Großvikar besaß.
»Wenn irgendwer die Macht über diese rebellische Seele zu besitzen und sie zu Gott zurückzuführen vermag,« sagte Abbé Dutheil fortfahrend, »so ist es der Pfarrer des Dorfes, wo er geboren ist, Monsieur Bonnet.«
»Einer Ihrer Schützlinge,« erklärte der Bischof. »Hochwürden, Pfarrer Bonnet ist einer von den Menschen, die sich so wohl durch ihre streitbaren Tugenden als auch durch ihre evangelischen Arbeiten selber schützen.«
Diese so bescheidene und so einfache Antwort wurde mit einem Schweigen aufgenommen, das jedem anderen wie Abbé Dutheil peinlich gewesen wäre; sie sprach von verkannten Leuten, und die drei Priester wollten darin eine jener demütigen, aber unverwerflichen klug gefeilten Sarkasmen sehen, welche die Geistlichen ausgezeichnet vorbringen, die, wenn sie sagen, was sie sagen wollen, gewöhnt sind, die strengsten Ordensregeln zu wahren. Dem war aber nicht so; Abbé Dutheil dachte niemals an sich.
»Seit allzu langer Zeit höre ich von diesem heiligen Aristides sprechen,« antwortete lächelnd der Bischof. »Wenn ich dies Licht unter dem Scheffel ließe, würde es meinerseits eine Ungerechtigkeit oder ein Vorurteil sein. Ihre Liberalen rühmen Ihren Monsieur Bonnet, wie wenn er ihrer Partei angehörte; ich will mir über diesen ländlichen Apostel selber ein Urteil bilden. Gehen Sie, meine Herren, zum Oberstaatsanwalt und bitten Sie ihn vom mir aus um einen Aufschub. Ich werde seine Antwort abwarten, bevor ich unseren lieben Abbé Gabriel nach Montégnac sende, der uns den heiligen Mann herholen soll ... Wir wollen Seine Glückseligkeit in den Stand setzen, Wunder zu wirken ...«
Als der Abbé Dutheil diese Rede eines geistlichen Edelmanns hörte, errötete er, wünschte aber nicht richtigzustellen, was sie an Unfreundlichkeit für ihn enthielt. Die beiden Großvikare grüßten stumm und ließen den Bischof mit seinem Günstling.
»Die Geheimnisse der Beichte, die wir betreiben, sind zweifelsohne dort eingescharrt,«
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