Der Dorfpfarrer (German Edition)
den beiden entmutigten Frauen.
Jean hörte das Wort, hob den Kopf auf, sah seine Mutter, seine Schwester an und küßte ihnen die Füße. »Sagen wir uns Lebewohl, kommt nicht wieder; laßt mich mit Monsieur Bonnet allein, macht euch meinetwegen keine Sorgen weiter,« sagte er zu ihnen, indem er seine Mutter und seine Schwester so innig umarmte, als ob er ihnen sein ganzes Leben hingeben wolle.
»Wie, man stirbt nicht daran?« sagte Denise zu ihrer Mutter, als sie an die Einlaßpforte kamen.
Es war gegen acht Uhr abends, als diese Trennung stattfand. Im Gefängnistor fanden die beiden Frauen den Abbé de Rastignac, der sie nach Neuigkeiten von dem Gefangenen fragte.
»Zweifelsohne wird er sich mit Gott versöhnen,« sagte Denise. »Wenn die Reue noch nicht gekommen ist, so ist sie sehr nahe.«
Der Bischof erfuhr wenige Augenblicke später, daß der Klerus in dieser Angelegenheit triumphieren und daß der Verurteilte in den erbaulichsten religiösen Gefühlen nach der Richtstätte gehen würde. Hochwürden, bei dem sich der Generalprokurator befand, drückte den Wunsch aus, den Pfarrer zu sehen. Monsieur Bonnet kam nicht vor Mitternacht. Abbé Gabriel, der häufig den Weg vom bischöflichen Palaste nach dem Kerker zurücklegte, hielt es für nötig, den Pfarrer in den bischöflichen Wagen zu nehmen; denn der arme Priester war in einem Zustande der Abgeschlagenheit, welcher ihm nicht erlaubte, sich seiner Beine zu bedienen. Die Aussicht auf seinen kommenden harten Tag, und die heimlichen Kämpfe, deren Zeuge er gewesen war, das Schauspiel der vollkommenen Reue, die sein lange rebellisches Pfarrkind endlich zu Boden geschmettert hatte, als ihm die große Rechnung der Ewigkeit vorgelegt wurde, all das hatte sich zusammengetan, um Monsieur Bonnet, dessen nervöse, elektrische Natur sich leicht mit anderem Unglück in Übereinstimmung brachte, zu brechen. Seelen, welche dieser schönen Seele gleichen, vermählen sich so lebhaft mit den Eindrücken, Unglücksfällen, Leidenschaften und Leiden derer, an denen sie Anteil nehmen, daß sie sie wirklich, und zwar in furchtbarer Weise mitfühlen, dadurch, daß sie ihre Tragweite ermessen können, welche den durch die Teilnahme des Herzens oder den Paroxismus der Schmerzen blinden Leuten entgeht. In dieser Hinsicht ist ein Priester wie Monsieur Bonnet ein Künstler, der fühlt anstatt ein Künstler zu sein, der urteilt. Als der Pfarrer sich im Salon des bischöflichen Palastes zwischen den beiden Großvikaren, dem Abbé de Rastignac, Monsieur de Granville und dem Generalprokurator befand, glaubte er zu sehen, daß man einige Neuigkeiten von ihm erwarte.
»Herr Pfarrer,« sagte der Bischof, »haben Sie irgendwelche Geständnisse erhalten, die Sie dem Gerichte zu seiner Aufklärung anvertrauen können, ohne ihren Pflichten zuwiderzuhandeln?«
»Um diesem armen, verirrten Kinde Absolution zu erteilen, Hochwürden, habe ich nicht nur erwartet, daß seine Reue ebenso ehrlich und ebenso vollkommen wäre, wie es die Kirche erwarten kann, sondern auch die Herausgabe des Geldes verlangt.«
»Diese Herausgabe«, sagte der Generalprokurator, »führte mich zu Hochwürden her; sie wird in der Weise geschehen, daß sie einige Lichter in die dunklen Stellen dieses Prozesses wirft. Es gibt sicher Mitschuldige ...«
»Es sind nicht die Interessen menschlicher Gerechtigkeit,« erwiderte der Pfarrer, »welche mich handeln lassen. Ich weiß nicht, wo und wann die Herausgabe stattfinden wird, aber sie wird geschehen. Als Hochwürden mich zu einem meiner Pfarrkinder rief, hat er, ausgenommen den Punkt der Disziplin und des priesterlichen Gehorsams, mir die absoluten Bedingungen eingeräumt, die den Pfarrern in dem Bereiche ihres Sprengels die Rechte verleihen, welche Hochwürden in seiner Diözese ausübt.«
»Schön,« sagte der Bischof. »Aber es handelt sich darum, vom Verurteilten freiwillige Geständnisse angesichts der Justiz zu erlangen.«
»Meine Mission ist es, Gott eine Seele zu erobern,« antwortete Monsieur Bonnet.
Monsieur de Granville zuckte leicht die Achseln, Abbé Dutheil aber nickte zum Zeichen der Billigung mit dem Kopfe.
»Tascheron will zweifelsohne jemanden retten, den die Herausgabe verraten könnte?« fragte der Generalprokurator.
»Mein Herr,« erwiderte der Pfarrer, »ich weiß durchaus nichts, was Ihren Verdacht sei es Lügen strafen, sei es bestätigen könnte. Das Beichtgeheimnis ist übrigens unverletzlich.«
»Die Herausgabe wird also stattfinden?« fragte
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