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Der Dorfpfarrer (German Edition)

Der Dorfpfarrer (German Edition)

Titel: Der Dorfpfarrer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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anbietend.
    »Gut,« sagte der Pfarrer, »ich nehme die fünfhundert Franken an, sie mögen zur Ausgrabung und zum Transport des armen Kindes auf den Friedhof von Montégnac dienen. Gott hat ihm zweifelsohne verziehen; Jean wird mit meiner ganzen Schar am großen Tage auferstehen, wo die Gerechten und die Reumütigen an des Vaters Rechte gerufen werden.«
    »Sicherlich,« antwortete der Advokat.
    Er nahm Denise bei der Hand und zog sie an sich, um sie auf die Stirn zu küssen; doch hatte diese Bewegung einen anderen Zweck.
    »Liebes Kind,« sagte er zu ihr, »kein Mensch in Montégnac hat Fünfhundertfrankenscheine; in Limoges sind sie ziemlich selten und niemand kriegt sie ohne Abzug. Dies Geld ist euch also gegeben worden; Ihr wollt mir nicht sagen von wem, und ich frage Euch nicht. Hört mich aber an: wenn Ihr bezüglich Eures armen Bruders noch irgend etwas hier in der Stadt zu tun habt, so seid auf Eurer Hut! Monsieur Bonnet, Ihr und Euer Bruder werdet von Spionen überwacht. Eure Familie ist abgereist, das weiß man, wenn man Euch hier sehen sollte, werdet Ihr umlauert sein, ohne daß Ihr es vermuten könnt.«
    »Ach,« sagte sie, »ich hab' hier nichts mehr zu tun.«
    Sie ist klug, sagte sich der Advokat, als er sie hinausführte. Sie ist benachrichtigt, folglich wird sie sich darnach zu benehmen wissen.
    In den letzten Tagen des Septembermonats, die ebenso heiß waren wie Sommertage, hatte der Bischof den Behörden der Stadt ein Mittagessen gegeben. Unter den Eingeladenen befanden sich der Staatsanwalt und der erste stellvertretende Generalprokurator. Einige Diskussionen belebten die Gesellschaft und zogen sie ungebührlich lange hin. Man spielte Whist und Tricktrack, das Spiel, welches die Bischöfe lieben. Gegen elf Uhr befand sich der Staatsanwalt auf den oberen Terrassen. Von der Ecke aus, wo er war, bemerkte er auf jener Insel, die an einem bestimmten Abend Abbé Gabriels und des Bischofs Aufmerksamkeit auf sich gelenkt hatte, kurz, auf Véroniques Insel ein Licht; dieser Schimmer erinnerte ihn an die unaufgeklärten Geheimnisse des von Tascheron begangenen Verbrechens. Da er keinen anderen Grund dafür, daß man zu dieser Stunde auf der Vienne Feuer machte, fand, überkam ihn der geheime Gedanke, der den Bischof und seinen Sekretär überkommen war, gleichfalls mit einer ebenso plötzlichen Helligkeit, wie es die des Feuers war, das in der Ferne leuchtete.
    »Alle sind wir große Dummköpfe gewesen,« rief er, »aber nun haben wir die Mitwisser!«
    Er ging in den Salon zurück, suchte Monsieur de Granville, flüsterte ihm einige Worte ins Ohr, und dann verschwanden sie alle beide; aus Höflichkeit aber folgte ihnen der Abbé de Rastignac, belauerte ihr Weggehen, sah sie sich nach der Terrasse wenden und bemerkte das Feuer am Rande der Insel.
    Sie ist verloren, dachte er.
    Die Sendboten des Gerichts kamen zu spät. Denise und Louis-Marie, den Jean das Tauchen gelehrt hatte, waren wohl am Vienneufer an einer von Jean angegebenen Stelle; Louis-Marie Tascheron aber hatte bereits viermal getaucht, und jedesmal zwanzigtausend Franken in Gold zurückgebracht. Die erste Summe war in einem mit den vier Ecken zusammengeknoteten seidenen Tuche enthalten. Dies Taschentuch, das sofort ausgewrungen wurde, um das Wasser auszudrücken, war in ein großes, vorher angefachtes Feuer aus trockenem Holz geworfen worden. Denise verließ das Feuer erst, nachdem sie die Hülle völlig verbrannt gesehen hatte. Die zweite Hülle war ein Schal und die dritte ein Batisttaschentuch. Im Augenblick, wo sie die vierte Hülle ins Feuer warf, ergriffen die von einem Polizeikommissar begleiteten Gendarmen dies wichtige Stück, das Denise sie nehmen ließ, ohne die geringste Aufregung kundzutun. Es war ein Taschentuch, das trotz seines im Wasserliegens einige Blutspuren aufwies. Sofort befragt, was sie soeben getan habe, erklärte Denise, daß sie, gemäß ihres Bruders Angaben, das Gold des Diebstahls aus dem Wasser geholt hätte. Der Kommissar fragte sie, warum sie die Hüllen verbrenne, sie entgegnete, daß sie damit eine von ihrem Bruder gestellte Bedingung erfülle. Als man sie fragte, welcher Art diese Hüllen gewesen wären, antwortete sie kühn und ohne eine Lüge:
    »Ein Seidentuch, ein Batisttaschentuch und ein Schal.«
    Das Taschentuch, das man eben noch erwischt hatte, gehörte ihrem Bruder.
    Die Taucherei und ihre Umstände erregten großes Aufsehen in der Stadt Limoges. Der Schal vor allem bestätigte den allgemeinen

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