Der Dorfpfarrer (German Edition)
der Gerichtsmann.
»Ja, mein Herr,« antwortete der Mann Gottes.
»Das genügt mir,« erklärte der Generalprokurator, der sich auf die Geschicklichkeit der Polizei verließ, um Fingerzeige zu erhalten, als ob Leidenschaft und persönliches Interesse nicht viel geschickter wären als jede Polizei.
Am übernächsten Tage, einem Markttage, wurde Jean-François Tascheron zur Richtstätte geführt, wie es die frommen und die politischen Seelen der Stadt wünschten. Als ein Muster der Bescheidenheit und Frömmigkeit küßte er mit Inbrunst das Kruzifix, welches ihm Monsieur Bonnet mit einer schwachen Hand entgegenstreckte. Man prüfte den Unglücklichen sehr, dessen Blicke von allen Augen bewacht wurden; würde er sie auf irgend jemandem in der Menge oder auf einem Hause haften lassen? Seine Verschwiegenheit war vollkommen, unverletzlich. Er starb als reuiger und absolvierter Christ.
Der arme Pfarrer von Montégnac wurde bewußtlos vom Fuße des Schafotts fortgetragen, obwohl er die verhängnisvolle Maschine nicht gesehen hatte.
Während der Nacht, am folgenden Tage, bat drei Meilen von Limoges, auf offener Straße und an einsamer Stelle, die, obschon vor Müdigkeit und Schmerz erschöpfte Denise ihren Vater inständig, sie mit Louis-Marie Tascheron, einem ihrer Brüder, nach Limoges zurückzulassen.
»Was willst du noch in jener Stadt tun?« antwortete der Vater rauh, seine Stirn runzelnd und seine Augenbrauen in Falten ziehend.
»Lieber Vater,« sagte sie ihm ins Ohr, »nicht nur müssen wir den Advokaten bezahlen, der ihn verteidigt hat, sondern das verborgene Geld muß auch noch zurückgegeben werden.«
»Das ist richtig!« sagte der brave Mann und steckte seine Hand in einen Ledersack, den er bei sich trug.
»Nein, nein,« sagte Denise, »er ist ihr Sohn nicht mehr. Nicht die ihn verflucht, die ihn gesegnet haben, müssen den Advokaten belohnen.«
»Wir werden euch in le Havre erwarten,« entgegnete der Vater.
Denise und ihr Bruder kehrten vor dem Tage in die Stadt zurück, ohne gesehen zu werden. Als die Polizei später ihre Rückkehr erfuhr, konnte sie nie feststellen, wo sie verborgen waren. Denise und ihr Bruder gingen gegen vier Uhr in die obere Stadt, indem sie sich die Mauern entlangdrückten. Das arme Mädchen wagte nicht die Augen aufzuschlagen, aus Furcht Blicken zu begegnen, die ihres Bruders Kopf hatten fallen sehen. Nachdem sie den Pfarrer Bonnet geholt hatten, der trotz seiner Schwäche einwilligte, Denise in dieser Sache als Vater und Beschützer zu dienen, begaben sie sich zu dem Advokaten, der in der rue de la Comédie wohnte.
»Guten Tag, meine armen Kinder,« sagte der Advokat, Monsieur Bonnet begrüßend; »worin kann ich euch nützlich sein? Wollt ihr mich vielleicht damit beauftragen, den Leichnam eures Bruders zu reklamieren?«
»Nein, mein Herr,« sagte Denise, die bei dieser Idee weinte, die ihr nicht gekommen war; »ich will unsere Schulden bei Ihnen bezahlen, wenn Geldeswert eine ewige Schuld bezahlen kann.«
»Setzen Sie sich doch,« sagte der Advokat, als er bemerkte, daß Denise und der Pfarrer stehengeblieben waren.
Denise drehte sich um, um aus ihrem Schnürleibchen zwei Fünfhundertfrankenscheine hervorzuholen, die mit einer Stecknadel am Hemde befestigt worden waren, und setzte sich, nachdem sie sie dem Verteidiger ihres Bruders dargereicht hatte. Der Pfarrer warf dem Advokaten einen leuchtenden Blick zu, der sich bald mit Tränen feuchtete.
»Behaltet dies Geld für euch, mein armes Mädchen, « sagte der Advokat, »reiche Leute bezahlen eine verlorene Sache nicht so freigebig.«
»Es ist mir nicht möglich, Ihnen zu gehorchen, mein Herr,« sagte Denise. »Das Geld stammt also nicht von euch?« fragte der Advokat lebhaft.
»Verzeihen Sie mir,« antwortete sie, Monsieur Bonnet anblickend, um zu erfahren, ob Gott diese Lüge nicht verböte.
Der Pfarrer hielt die Augen gesenkt.
»Schön,« sagte der Advokat, einen Fünfhundertfrankenschein nehmend und den anderen dem Pfarrer hinhaltend, »ich teile mit den Armen. Jetzt, Denise, tauscht mir diesen, der gewiß mir gehört,« sagte er, ihr den anderen Schein reichend, »gegen euer Sammetbändchen und euer goldenes Kreuz ein. Ich will das Kreuz als Erinnerung an das reinste und beste junge Mädchenherz, das ich zweifelsohne in meinem Advokatenleben finden werde, an meinem Kamin aufhängen.«
»Ich will es Ihnen geben, ohne es Ihnen zu verkaufen,« rief Denise, ihr Jeanettenkreuz abnehmend und es ihm
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