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Der Dorfpfarrer (German Edition)

Der Dorfpfarrer (German Edition)

Titel: Der Dorfpfarrer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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die Spuren der Liebe bei einem Manne ebensogut wie Männer bei einer Frau sehen, wenn sie, wie man zu sagen pflegt, die Liebe gekostet hat.
    Am Abend hörte Jean-François die Bewegung der Riegel und das Geräusch des Schlosses: lebhaft drehte er den Kopf um und stieß das schreckliche Murren aus, womit seine Wut begann; aber er zitterte heftig, als er in dem durch die Dämmerung gedämpften Lichte die geliebten Häupter seiner Schwester und Mutter sich abheben, und hinter ihnen des Pfarrers von Montégnac Antlitz sah.
    »Die Barbaren; das sparten sie mir noch auf!« sagte er, die Augen zumachend.
    Denise, als ein Mädchen, das gerade im Gefängnis gelebt hatte, mißtraute allem; der Spion hatte sich zweifelsohne versteckt, um wiederzukommen. Sie stürzte auf ihren Bruder zu, beugte ihr tränenüberströmtes Gesicht über seines und sagte ihm ins Ohr:
    »Wird man uns vielleicht hören?«
    »Andernfalls würde man euch nicht geschickt haben,« antwortete er mit lauter Stimme. »Ich hab es seit langem als eine Gnade erbeten, niemanden von meiner Familie zu sehen.«
    »Wie sie ihn zugerichtet haben!« sagte die Mutter zum Pfarrer. »Mein armes Kind! Mein armes Kind!«
    Sie sank auf das Fußende der Matratze, indem sie ihren Kopf in der Soutane des Priesters verbarg, der aufrecht neben ihr stand.
    »Ich kann ihn nicht so gebunden, geknebelt, in diesen Sack gesteckt sehen ...«
    »Wenn Jean«, sagte der Pfarrer, »mir versprechen will, vernünftig zu sein, nichts gegen sein Leben zu unternehmen, und sich, solange wir bei ihm sind, gut aufführen will, werd' ich durchsetzen, daß man ihn losmacht; der geringste Bruch seines Versprechens jedoch würde auf mich zurückfallen ...«
    »Ich habe es so sehr nötig mich nach meiner Laune zu bewegen, lieber Monsieur Bonnet,« sagte der Verurteilte, dessen Augen sich mit Tränen netzten, »daß ich Ihnen mein Wort gebe, Sie zu befriedigen.«
    Der Pfarrer ging hinaus, der Kerkermeister kam herein, die Zwangsjacke wurde ausgezogen.
    »Sie werden mich heute abend nicht töten?« fragte ihn der Schlüsselträger.
    Jean antwortete nichts.
    »Armer Bruder,« sagte Denise und brachte einen Korb her, den man sorgsam untersucht hatte, »hier sind einige Sachen, die du gern hast, denn man nährt dich gewiß nur um Gottes willen!«
    Sie zeigte Früchte, die sie, sobald sie erfahren, daß sie ins Gefängnis hineinkommen könnte, gepflückt, und einen Kuchen, den ihre Mutter sofort beiseite gebracht hatte.
    Diese Aufmerksamkeit, die ihn an seine Jugendzeit erinnerte, dann die Stimme und die Gebärden seiner Schwester, die Gegenwart seiner Mutter, die des Pfarrers, all das bewirkte eine Reaktion bei Jean: er zerfloß in Tränen.
    »Ach, Denise,« sagte er, »seit sechs Monaten habe ich nicht ein einziges Mal richtig gegessen. Nur vom Hunger gepeinigt habe ich gegessen, das ist alles!«
    Mutter und Tochter entfernten sich, gingen und kamen. Belebt von jenem Geiste, der Hausfrauen beseelt, für das Wohlbefinden der Männer zu sorgen, setzten sie ihrem armen Freund endlich ein Abendessen vor. Sie fanden Hilfe: es war angeordnet worden, ihnen in allem beizustehen, was sich mit der Sicherheit des Verurteilten vereinbaren ließ. Die des Vanneaulx hatten den traurigen Mut besessen, zu dessen Wohlbefinden beizutragen, von dem sie noch immer ihre Erbschaft erwarteten. Jean sah daher einen letzten Abglanz der Familienfreuden; Freuden, die durch die herbe Farbe, die ihnen die Umstände verliehen, getrübt wurden.
    »Meine Berufung ist verworfen worden?« sagte er zu Monsieur Bonnet.
    »Ja, mein Kind. Es bleibt dir nichts mehr übrig, als dein Leben wie es einem Christen geziemt zu beschließen. Dies Leben ist nichts im Vergleich mit dem, was deiner wartet: man muß an deine ewige Glückseligkeit denken. Den Menschen kannst du deine Schuld bezahlen, indem du ihnen dein Leben läßt, Gott aber gibt sich mit so wenigem nicht zufrieden.«
    »Mein Leben lassen? Ach, Sie ahnen ja nicht, was alles ich verlassen muß!«
    Denise blickte ihren Bruder an, wie wenn sie ihm sagen wollte, daß er sogar in den religiösen Dingen Klugheit obwalten lassen müsse.
    »Reden wir nicht davon,« erwiderte er, indem er Obst mit einer Begierde aß, die ein inneres Feuer von großer Intensität ausdrückte. »Wann muß ich? ...«
    »Nein, davon nichts in meiner Gegenwart!« sagte die Mutter.
    »Ich aber würde ruhiger sein,« sagte er ganz leise zum Pfarrer.
    »Immer sein nämlicher Charakter!« rief Monsieur Bonnet, der sich zu

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