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Der Dorfpfarrer (German Edition)

Der Dorfpfarrer (German Edition)

Titel: Der Dorfpfarrer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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Mündung dieser Schlucht Besitzer von dreihundert Arpents geworden ist, auf denen die Wassermengen Schlamm zurücklassen, wodurch in einer gewissen Ausdehnung schließlich gutes Erdreich entstanden ist. Madame wird die Rückseite der Roche-Vive sehen, auf der sich prachtvolle Wälder hinziehen, und wo Monsieur Graslin sicherlich eine Pachtung errichtet haben würde. Die geeignetste Stelle dazu dürfte dort sein, wo die Quelle endigt, die sich bei meinem Hause befindet und die man ausnützen könnte.«
    Farrabesche ritt als erster, um den Weg zu zeigen, und ließ Véronique einen steilen Pfad verfolgen, der nach der Stelle führte, wo die beiden Abhänge einander nahekamen und sich dann, wie von einem Anprall zurückgeschleudert, der eine nach Osten, der andere nach Westen trennten. Dieser Hals, der von großen Steinen, zwischen denen hohe Kräuter wucherten, angefüllt war, hatte eine Breite von etwa sechzig Fuß. Die aus hartem Stein geschnittene Roche-Vive stieg wie eine Granitmauer hoch, auf der es nicht den mindesten Kiesboden gab; die Spitze dieser starren Mauer wurde von Bäumen gekrönt, deren Wurzelwerk herabhing. Föhren umfaßten den Boden mit ihren gabelförmigen Wurzeln und schienen sich dort festzuhalten wie einen Zweig umklammernde Vögel. Die gegenüberliegende, durch die Zeit ausgehöhlte Höhe hatte eine steile, sandige und gelbe Front, sie wies nicht nur tiefe Höhlungen, Vertiefungen ohne Festigkeit auf; ihr weicher und mürber Fels zeigte Ockertöne. Einige Stechblattpflanzen, am Fuße große Kletten, Binsen und Wassergewächse deuteten sowohl die Nordlage als auch die Dürftigkeit des Bodens an. Das Bett des Wildbachs bestand aus ziemlich harten, aber gelblichen Steinen. Ersichtlich waren die beiden Gebirgsketten, obwohl sie parallel liefen und wie im Augenblick der Katastrophe, die den Erdball verändert hat, gespalten erschienen, durch eine unerklärliche Laune, oder durch einen unbekannten Grund, dessen Entdeckung dem Genie zukommt, aus gänzlich verschiedenen Elementen zusammengesetzt. Der Kontrast ihrer beiden Naturen sprang besonders an dieser Stelle ins Auge. Von dort aus erblickte Véronique ein ausgedehntes trockenes Plateau, ohne jegliche Vegetation, das, was die Aufsaugung der Gewässer erklärte, kreidehaltig und von Brackwassertümpeln oder Stellen, wo der Boden abgebröckelt war, durchsetzt war. Zur Rechten sah man die Berge der Corrèze. Zur Linken verweilte der Blick auf der ungeheuren, mit den schönsten Bäumen bestandenen Prellwand der Roche-Vive, zu deren Füßen sich eine Wiesenfläche von etwa zweihundert Arpents ausbreitete, deren Vegetation gegen den häßlichen Anblick dieses öden Plateaus abstach.
    »Mein Sohn und ich haben den Graben gemacht, den Sie da unten erblicken,« sagte Farrabesche, und den Ihnen die hohen Kräuter anzeigen; er soll auf den treffen, der Ihren Wald umfaßt. Auf der Seite hier werden Ihre Domänen durch eine Einöde begrenzt, denn das erste Dorf liegt eine Meile fort von hier.« Véronique sprengte lebhaft in diese trostlose Ebene hinein und ihr Wächter folgte ihr. Sie ließ ihr Pferd über den Graben springen, ritt mit verhängten Zügeln in die finstere Landschaft, und schien ein wildes Vergnügen daran zu finden, dies unendliche Bild der Trostlosigkeit zu betrachten.
    Farrabesche hatte recht. Keine Kraft, keine Macht konnte Vorteil aus diesem Boden ziehen, der unter den Tritten der Pferde widerhallte, wie wenn er hohl wäre. Obwohl diese Wirkung durch die naturgemäß durchlässigen Kreidemassen hervorgerufen wurde, so gab es doch auch Spalte, durch welche die Gewässer verschwanden und davoneilten, um zweifelsohne entfernte Quellen zu speisen.
    »Gleichwohl gibt es Seelen, die so sind!« rief Véronique, indem sie ihr Pferd anhielt, nachdem sie eine Viertelstunde lang galoppiert hatte.
    Nachdenksam verweilte sie inmitten dieser Wüste, wo es weder Tiere noch Insekten gab, und die von den Vögeln nicht überflogen wurde. In der Ebene von Montégnac fand man wenigstens Kiesel, Sandmassen, etwas lockeren oder lehmigen Boden, Trümmer, eine etliche Zoll tiefe Kruste, wo die Bebauung eingreifen konnte; hier aber ermüdete nur undankbarster Tuff, der noch nicht Stein und keine Erde mehr war, den Blick sehr; hier mußte man seine Augen zu der Unendlichkeit des Aethers erheben. Nachdem sie die Grenze ihrer Wälder und die von ihrem Gatten gekaufte Weidefläche betrachtet hatte, kehrte Véronique, jedoch langsam, nach dem Anfang des Gabou zurück.

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