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Der Drache am Himmel

Der Drache am Himmel

Titel: Der Drache am Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Sommer
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aller Kraft und lässt ihn nicht mehr los, bis ihr der Atem ausgeht. Sogleich fallen ihr Rosa und das nächtliche Gespräch und der ganze Wahnsinn ein und sie kann nicht anders, als sich sofort aufzusetzen. Zu ihrer Verwunderung ist Maurice fertig angezogen und putzmunter.
    »Wie lange bist du schon …?«
    »Seit drei Stunden.«
    »Und Rosa?«
    »Ja. Die ist auch schon auf. Mittags frühstückten wir zusammen und sie gab nur preis, dass ihr euch schon ausgesprochen hättet. Mehr wollte sie aber nicht verraten. Ein wenig neidisch war ich übrigens schon auf euer nächtliches Hexengespräch. Doch dann konnte ich sie mit allen Tricks doch zum Reden verleiten.«
    »Schäme dich. Und? Was hast du erfahren?«
    »Wach doch erst mal in aller Ruhe auf. Jedenfalls bin ich nicht mehr eifersüchtig, dass Rosa dich als Erste eingeweiht hat.«
    »Sag schon!«
    »Traurig und schlimm und verrückt ist alles. Severin am Fluss, Aldos Todesdrohungen: Widerlich! Erwachsen werden, befürchte ich, besteht wohl darin, mehrfach aufzuwachen. Ich bin froh, dass du hier bist.«
    Die nächsten Stunden sind scheue Stunden. Weder Lilith noch Maurice noch Rosa bringen das Gespräch auf das, was alle beschäftigt. Shandar registriert es als Befangenheit der drei und verzieht sich in den Hof, um Holz zu spalten. Bald hallen seine Schläge durchs Haus. Er hält lange durch. Lilith macht es sich zur Pflicht, ab und an vorbeizuschauen und ihm beim Stapeln der Scheite zu helfen.
    Maurice liest, wechselt mehrmals den Platz und lässt wenig an sich heran. Rosa schreibt umständlich an einer Einkaufsliste herum und steht häufig auf, um die Vorräte zu durchforsten. Einige Male verschwindet sie in ihrem Zimmer hinter der Küche, um zu telefonieren. Einmal hat Maurice den Eindruck, sie spreche mit Carla Bellini.
    Endlich entschließen sie sich zu einem Spaziergang. Auch Shandar kommt mit. Die Abendsonne hängt niedrig am Horizont und taucht Felder und Rebstöcke in goldenes Licht. Sie kommen bei Chassangs Gehöft vorbei. Der ausgeliehene Citroën steckt schon wieder unter seiner Schutzhülle. Der Bauer entdeckt sie, überfällt alle mit herzlich ruppigen Umarmungen und sie kommen nicht daran vorbei, seinen Pastis zu probieren. Zurück vor Rosas Haus, brechen Maurice und Shandar sogleich zum Einkaufen auf. Alles ist so normal.
    Als Rosa wiederum aus ihrem Zimmer telefoniert, bleibt ihre Tür einen Spaltweit offen, und Lilith kann es sich nicht verkneifen mitzuhören. Sie versteht fast alles, begreift aber wenig. Doch das Verschlüsselte dieser halben Dialoge fasziniert sie. Manchmal sind zwischen Rosas Beiträgen die Pausen, die irgendjemandem gehören, der irgendetwas und vielleicht das Entscheidende beiträgt, so lang, dass sich die Spannung in Liliths Bauch verklumpt.
    –
    »Ja, ich bin es wieder.«
    –
    »Du täuschst dich. Aber ich weiß, dass du mir nicht glaubst.«
    –
    »Henry ist nicht mein Problem. Das ist deine Ausrede. Nur du bist für dich verantwortlich.«
    –
    »An deiner Stelle würde ich nicht von Erpressung, hallo, hörst du mich noch, nicht von Erpressung reden.«
    –
    »Du!«
    –
    »Nur den kranken Kerl im Gefängnis.«
    –
    »Ja, das kommt dich teuer zu stehen. Ein Skandal auch. Kon-kurse …«
    –
    »Wenn es dir das Genick bricht, wird es unbezahlbar.«
    –
    Lilith spürt Rosas Anstrengung, ihren Zorn im Zaume zu halten. Überhaupt spricht jetzt eine ganz andere Rosa als die der Nacht. Eine ungnädige und härtere Rosa kommt zum Vorschein. Später vermutet Lilith, dass Rosa gar nicht immer mit der gleichen Person gesprochen hat; die langen Pausen hätten auch gereicht, um eine andere Nummer anzurufen.
    –
    »Du wirst mich anhören. Und du wirst allein sein ohne deine Spezis. Neun Uhr, um neun Uhr!«
    –
    »Was ist bloß in dieser verfluchten Stadt los?«
    –
    »Oh, ich habe ihn besser gekannt, als du vielleicht denkst.«
    –
    Sonst bleibt alles normal, auch das Abendessen, bei dem Shandar ihnen vorspielt, wie ein misstrauischer weißer Tourist auf einem Markt in Accra um Preise feilscht und der Händler ihn übers Ohr zu hauen versucht. Das ist urkomisch. Aber normal? Im Grunde ist gar nichts normal. Einer von ihnen müsste den Anfang machen.
    Ein weiteres Mal zieht sich Rosa zum Telefonieren zurück. Als sie wiederkommt, ist sie wie ausgewechselt. Dabei hat sie nur ihr Haar geöffnet. Doch sie wirkt wie eine Königin. »Hört mal«, sagt sie, »ich habe mit Aldo Bellini gesprochen.«
    »Ich gehe auf Terrasse«, brummt

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