Der Drache am Himmel
Salvatore, das schwöre ich. Es ist auch deine Suppe, in die ich spucke.« Und noch entschiedener fährt sie fort: »Ich will nicht triumphieren. Aber grämen möchte ich mich auch nicht mehr. Ich will niemanden richten. Das steht mir auch gar nicht zu. Aber kein Unbeteiligter soll für Severin büßen müssen. Der Spuk über dieser Stadt wird sich auflösen und nur das ist es, was zählt.«
»Hui!«, sagt Lilith, die sich ganz klein fühlt, weil Rosas Ausbruch so pompös daherkommt. Kurz kneift sie die Augen zusammen, lächelt dann und sucht Maurice’ Blick. Nur darauf hat er gewartet. »Also gut«, sagt er. »Wenn du dabei bist, bin ich es auch. Mit dir zusammen wage ich es, Lilith.«
Rosa lächelt, spürt aber, wie ihre Angst wieder zunimmt. In den letzten Tagen hat sie immer öfter an Salvatores Jähzorn denken müssen. Und wenn Aldo genauso ist? Wenn er, in die Enge getrieben, ausrastet und die Kontrolle verliert? Noch zwei Tage, denkt sie, bis ich den Weg zu Bellinis Villa antreten werde. Unter meinen Füßen wird der Kies knirschen … »Kommt! Jetzt schauen wir uns endlich diesen Film an«, sagt sie streng.
»Aldo! Sieh her!« Rosa greift in ihre Handtasche und kramt ein Päckchen hervor. »Schau genau hin. Siehst du? Dies ist der Film, den du so unbedingt in deinen Besitz bringen willst, koste es, was es wolle. Ich habe ihn. Das Original.«
Rosa hat sich viele Male vorzustellen versucht, wie Aldo reagieren würde. Doch auf diese Variante wäre sie im Leben nicht gekommen: Aldo springt nämlich hinter seinem Schreibtisch hervor, reißt ihr das Päckchen aus der Hand und jubelt: »Danke, Rosa, danke!« Er will sie umarmen.
»Lass das«, schreit sie und springt ebenfalls auf. »Idiot! Du glaubst doch wohl selbst nicht, dass ich gekommen bin, um dir zu helfen. Den Tarif will ich dir mitteilen, deshalb bin ich hier. Und jetzt setz dich wieder, Aldo, setz dich!«
Ungläubig grimassierend schiebt sich Aldo rücklings zu seinem Sessel und lässt sich hineinfallen. »Du begreifst gar nicht, wie wichtig dieses Dokument für mich ist.«
»Ein Dokument soll das sein? Eine Schande ist es! Du wirst mir jetzt mal gut zuhören, Freundchen. Du kannst davon ausgehen, dass ich nichts zu verlieren habe, ganz im Gegensatz zu dir. Und ruhig auch davon, dass ich mehr weiß als du, Bellini!«
»Hör mal … Bellini? Seit wann …?«
»Hörst du mir zu?«
»Bist du verrückt geworden, Rosa. Du bist die Mutter meines besten Freundes und führst dich hier auf wie eine Furie!«
»Wer verfolgt Shandar in einem BMW?«
»Was? Du spinnst doch.« Aldo beugt sich bedrohlich weit vor.
»Wir haben deine Lebensader angezapft. Sind heute Morgen fröhlich in dein Büro marschiert und haben uns alle wichtigen Adressen aus deinem Rechner kopiert. Kunden. Lieferanten. Geschäftsfreunde. Personal. Alles in allem eintausenddreihundert Adressen. Und wenn du jetzt nicht sehr genau zuhörst, Bellini, bekommen all diese Leute morgen früh eine E-Mail mit deinem Dokument, Bellini!«
Mit einiger Mühe hat Rosa ihre Stimme auf normaler Lautstärke behalten. Ob bei Lilith und Maurice draußen in der Stadt alles wie geplant lief? Jetzt müsste Maurice mit Severin in der Michaelskapelle sein …
Aldo ist verstummt. Plötzlich zuckt seine Hand ans Telefon. Er zögert, lässt es sein. Starrt Rosa an.
Die spricht scheinbar ungerührt weiter. »Also hör zu. Du hast ein paar deiner Leute auf Shandar angesetzt. Sie sollen ihn einschüchtern und gegebenenfalls töten. Du brauchst mir gar nichts vorzumachen. So hat es schon dein Vater gehalten und du …«
»Nein!«, brüllt Aldo. Rosa fischt aus ihrer Tasche einen Zettel und schiebt ihn Aldo zu. »Was soll …«
»Für jedes Kind, das in deinen Fabriken zu Schaden gekommen ist. Genau diesen Betrag. Wir haben die Namen. Es sind über sechzig. Mit dem Geld können sie sich operieren lassen. Manche werden trotzdem für ihr ganzes Leben entstellt sein. Aber wenigstens können sie sich eine Ausbildung leisten … Gerecht ist das noch lange nicht, aber wenigstens ein Anfang.«
Aldo massiert mit den Zähnen seine Lippen und scheint zu rechnen. Seine Zunge schnellt hervor, benetzt die Lippen. Was geht in ihm vor?, fragt sich Rosa, rechnet er tatsächlich, dieser Buchhalter ? Da sagt Aldo: »Du machst dich also zur Handlangerin von Erpressern, Rosa? Glaub ja nicht, dass du damit durchkommst.«
»Habe ich etwa vergessen, die dreißig Zeitungs- und Fernsehredaktionen zu erwähnen, an die der Film morgen
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