Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Drache am Himmel

Der Drache am Himmel

Titel: Der Drache am Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Sommer
Vom Netzwerk:
es nicht zu viel«, sagte Maurice und dachte an Rosa, die auf seiner Bettkante gesessen und sich nichts weiter hatte entlocken lassen.
    »Du musst nichts sagen, wenn es dich traurig stimmt oder so«, meinte Lilith leise. Rosa dankte es ihr mit einem angedeuteten Nicken und schwieg. Betrachtete ihre Hände und blieb stumm. Maurice legte Holz nach und Rosa lächelte verlegen. Dankbar blickten sie alle in den Kamin. Dort vollführten grellgrüne Kobolde auf den nachgelegten Holzscheiten einen bizarren Tanz. Dabei hatte bloß das Harz auf der Rinde Feuer gefangen.
    »Salvatore«, murmelte Rosa. »Der hatte auch das Feuer im Leib. Ich habe mich daran verbrannt. Aber auch nie besser getanzt als in den Jahren, in denen ich seine heimliche Geliebte war. So! Jetzt ist es raus …« Wieder Schweigen, wieder Starren. Weil immer größere Flammen am Holz züngelten, mussten die Harzwichte ums Überleben kämpfen. Gleich würden ihre giftigen Flämmchen im Feuer verenden.
    »Wie er meinen Tanz bewunderte! Und wie gut mir das tat. Ich habe nie einen Menschen gekannt, dessen Lebenslust so grenzenlos war. Im Rückblick sehe ich ihn als Meister des Lichts. Er verstand es nämlich, sich und sein Leben so perfekt auszuleuchten, dass man alles andere vergaß … sogar vergaß, wie dick er war. Er schillerte, besser kann ich das nicht ausdrücken. Zweideutig zwar, aber brillant. Alles an ihm hat mich fasziniert, sogar seine Maßlosigkeit. Im Grunde war er ein schamloser, diabolischer Glücksritter. Aber amüsant, großzügig und voller Leidenschaft. Damit berauschte er mich drei heimliche Jahre lang. Niemand wusste davon!« Vielleicht um zu verdeutlichen, wie blind alle Welt war, bedeckte Rosa mit gebündelten Fingerspitzen ihre Augen. So jedenfalls verstand Lilith die Geste. »Niemand wusste davon! Kein Mensch. Bis auf den heutigen Tag. Und warum ich es gerade heute ausgeplaudert habe, ist mir selbst ein Rätsel. Aber es musste wohl so sein.« Rosa ließ ein seltsames Kichern hören. »Vielleicht ist auch der Pastis schuld. Die Marke ist eine echte Rarität. Salvatore hätte nie eine andere angerührt. Ihr zwei seid mir schon gefährliche Gäste.« Jetzt erst lösten sich ihre Fingerspitzen von den Lidern, glitten aber zu den Schläfen und spannten unbarmherzig die Haut. »Oder liegt es an dem Haus, das seinen Geist atmet? Er hat es mir geschenkt. Ich liebe es über alles und schäme mich dafür. Und morgen bereue ich bestimmt, dass ich so redselig war.«
    »Mamma mia! Einfach mal so ein ganzes Haus. Dieser Salvatore muss dich echt geliebt haben!«, rief Lilith. Dass sie dazu in die Hände klatschte, verwirrte Maurice. Doch dann fiel ihm ein, dass Lilith, die ja noch gar nicht so lang in der Stadt wohnte, vielleicht gar nicht wusste, von wem eigentlich die Rede war. »Weißt du: die Création Bellini hat er gegründet. Salvatore ist der Vater von Aldo Bellini. Das Kostümfest in der Villa, erinnerst du dich?« Während er das sagte, wurde ihm erst bewusst, wie betroffen ihn Rosas Beichte machte. Ob Réa eingeweiht …? Ob ihr Sohn Severin davon …? Und war es diese Liebschaft, die Rosa bei ihrem nächtlichen Gespräch in seinem Zimmer gemeint und als große Dummheit bezeichnet hatte?
    Lilith hatte zuerst ihn, dann Rosa gemustert und sagte jetzt: »Ach! Er lebt gar nicht mehr, dieser Mann?«
    »Wer weiß? Ach was! Natürlich nicht. Aber jetzt genug davon. Obwohl es mir gutgetan hat … als ob ich mit Aufräumen begonnen hätte. Ach was!«
    »Nur noch das«, sagte Maurice hastig, »das mit dir und Bellini und dem Haus weiß wirklich …«
    »Nicht einmal mein Sohn. Aber glaubt ja nicht, dass ich darauf stolz bin. Doch jetzt mach ich uns einen Tee. Mon dieu , sagen die Franzosen. Trifft genau. Und ich mache jetzt den Tee.«
    Lange Küsse im dunklen Korridor, ziemlich genau in der Mitte zwischen beiden Zimmertüren. Als sie sich voneinander lösten, gab es keinen Grund dafür und als sie bereits auf den Schwellen ihrer Türen standen und sich immer noch mit Blicken festhielten, lächelte Lilith und sagte: »Du musst mir nie ein Haus schenken.« Damit verschwand sie.
    Dann lagen beide betäubend müde in ihren Betten und horchten doch auf die Geräusche von nebenan und Lilith dachte voller Verlangen und Freude an Maurice. Und Maurice dachte nicht anders an Lilith. Aber kurz bevor er einschlief, kam ihm der Gedanke, dass Rosas Sohn Severin eigentlich auch der Sohn jenes Salvatore sein könnte.

8
Accra
    Aus Henrys Aufzeichnungen
     
     
    D

Weitere Kostenlose Bücher