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Der Drachenbeinthron

Der Drachenbeinthron

Titel: Der Drachenbeinthron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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uns heute alle einen Tag frei und schauen nach, wo er geblieben ist‹ – das glaubst du doch wohl selber nicht, hm?«
    »Nein, ich …«
    »Und du würdest doch ganz bestimmt nicht sagen: ›Rachel, ich kann meine Arbeit nicht machen, weil Morgenes und ich auf Hochverrat sinnen‹ – oder hast du das vor?«
    »Ganz bestimmt nicht!«
    »Gut. Dann wirst du deine Pflichten erfüllen und so schnell wie möglich wieder herkommen, und dann werden wir die Lage prüfen. Es ist alles viel gefährlicher, als du begreifst, Simon, aber ich fürchte, du steckst jetzt mittendrin, im Guten wie im Bösen. Und ich hatte gehofft, dich aus allem heraushalten zu können …«
    »Woraus? Mittendrin in was, Doktor?«
    »Lass gut sein, Junge. Hast du denn immer noch nicht genug? Ich werde morgen versuchen, dir alles zu erklären, was du wissen solltest, aber die Steinigungsnacht ist nicht die beste Gelegenheit, von Dingen zu reden wie –«
    Ein lautes Hämmern an der Außentür schnitt Morgenes das Wort ab. Einen Augenblick lang starrten Simon und der Doktor einander an. Nach einer Pause klopfte es von neuem.
    »Wer ist da?«, rief Morgenes mit so ruhiger Stimme, dass Simon ihn noch einmal anschauen musste, um die Furcht im Gesicht des kleinen Mannes zu bemerken.
    »Inch«, kam die Antwort. Morgenes entspannte sich sichtlich.
    »Geh fort«, erwiderte er. »Ich habe dir doch gesagt, dass ich dich heute Abend nicht brauche.«
    Kurzes Schweigen. »Doktor«, flüsterte Simon, »ich glaube, ich habe Inch vorhin gesehen …«
    Wieder die monotone Stimme. »Ich denke, dass ich etwas vergessen habe … in Eurem Zimmer vergessen, Doktor.«
    »Komm ein andermal wieder und hol es dir«, rief Morgenes, und diesmal war seine Verärgerung echt. »Ich habe jetzt viel zu viel zu tun, als dass ich mich stören lassen könnte.«
    Simon versuchte es noch einmal. »Ich glaube, ich habe ihn gesehen, als ich den –«
    »Öffnet sofort die Tür – im Namen des Königs!«
    Simon fühlte kalte Verzweiflung nach seinem Magen greifen: Diese Stimme gehörte nicht Inch.
    »Beim Niederen Krokodil!«, fluchte Morgenes verwundert. »Der kuhäugige Dummkopf hat uns verraten. Ich hätte nicht gedacht, dass er den Verstand dazu besitzt. Ich will jetzt nicht gestört werden! «, brüllte er plötzlich, sprang zu dem langen Tisch hinüber und strengte sich an, ihn vor die verriegelte Innentür zu schieben. »Ich bin ein alter Mann und brauche meine Ruhe!« Simon war mit einem Satz neben ihm und half. In ihm mischte sich Entsetzen mit einer plötzlich aufflackernden, fast freudigen Erregung.
    Draußen aus dem Gang rief eine dritte Stimme, eine grausame, heisere Stimme: »Allerdings wirst du deine Ruhe bekommen, alter Mann, eine sehr lange Ruhe.« Simon stolperte und wäre fast gestürzt, als seine Knie unter ihm nachgaben. Pryrates!
    Ein schreckliches, knirschendes Geräusch hallte durch den inneren Gang, während Simon und der Doktor es endlich schafften, den schweren Tisch vor die Tür zu rücken. »Äxte«, sagte Morgenes und sprang auf der Suche nach irgendetwas um den Tisch herum.
    »Doktor!«, zischte Simon und hüpfte vor Angst auf und nieder. Von draußen hörte man das Echo splitternden Holzes. »Was können wir tun?« Er wirbelte herum und sah sich einem aberwitzigen Schauspiel gegenüber.
    Morgenes kniete geduckt auf der Tischplatte, neben sich einen Gegenstand, den Simon sofort als Vogelkäfig erkannte. Der Doktor hatte das Gesicht eng an die Gitterstäbe gedrückt. Er gurrte undmurmelte den Tieren zu, während Simon schon hörte, wie die äußere Tür zusammenbrach.
    »Was tut Ihr?« , keuchte Simon. Morgenes hopste vom Tisch, den Käfig im Arm, und trabte quer durch den Raum zum Fenster. Als Simon aufjaulte, drehte er sich um, betrachtete gelassen den verstörten Jungen, lächelte dann traurig und schüttelte den Kopf.
    »Ja, natürlich, Junge«, sagte er, »ich muss mich auch um dich kümmern, wie ich es deinem Vater versprochen habe. Wie wenig Zeit uns doch vergönnt war!« Er setzte den Käfig ab, rannte wieder zum Tisch und wühlte in dem Durcheinander herum. Die Zimmertür begann unter der Wucht schwerer Schläge zu erbeben. Man hörte rauhe Stimmen und das Klirren gepanzerter Männer. Morgenes fand, was er suchte, ein Holzkästchen, und kippte es um, wobei etwas golden Glänzendes in seine Hand fiel. Er wollte wieder zum Fenster, blieb dann aber stehen und fischte noch einen Stapel dünner Pergamente aus dem Chaos auf dem Tisch.
    »Nimm das mit,

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