Der Drachenbeinthron
sich auf Cadrach stürzen. Aber der hatte das kommen sehen. Schon war der kleine Mönch von der Bank herunter und huschte rückwärts nach der Tür.
»So warte doch, Junge, du irrst dich!«, rief er, aber wenn das wirklich seine Meinung war, so musste er wenig Vertrauen in die eigene Fähigkeit haben, Simon zu überzeugen. Ohne eine Sekunde innezuhalten, raffte er seinen Stock an sich und sprang zur Tür hinaus. Simon wollte mit einem Satz hinter ihm her, hatte aber kaum den Türpfosten passiert, als er sich von einem Paar bärenartiger Tatzen um die Mitte gepackt fühlte. Gleich darauf schwebte er in der Luft, sein Atem wurde aus ihm herausgepresst, und die Beine baumelten hilflos nach unten.
»Und was glaubst du, was du da machst, he?«, brummte ihm Freawaru ins Ohr. Er machte in der Tür kehrt und schleuderte Simon in den vom Feuer rotgemalten Schankraum zurück. Simon landete auf dem nassen Boden und schnappte nach Luft.
»Es ist der Mönch!«, stöhnte er endlich. »Er hat meinen Geldbeutel gestohlen! Lasst ihn nicht entwischen!«
Freawaru steckte kurz den Kopf durch die Tür. »Wenn das stimmt, ist er schon über alle Berge, der Kerl – aber woher soll ich wissen, dass das nicht alles zu eurem Plan gehört, he? Woher weiß ich, dass ihr beide diesen Mönch-und-Lustknabe-Trick nicht in jeder Kneipe zwischen hier und Utanyeat abzieht?« Hinter ihm lachten ein paar späte Zecher. »Steh auf, Junge«, sagte er, ergriff Simon beim Arm und riss ihn grob in die Höhe. »Ich will feststellen, ob Deorhelm oder Godstan schon von euch beiden gehört haben.«
Er schob Simon zur Tür hinaus und um die Hausecke herum, wobei er dessen Arm mit festem Griff gepackt hielt. Das Mondlicht schien auf das mit hellem Stroh gedeckte Stalldach und die ersten Vorposten des nur einen Steinwurf weit entfernten Waldes.
»Ich weiß nicht, warum du nicht einfach nach Arbeit gefragt hast, du Esel«, grollte Freawaru, während er den stolpernden Jungen weiterstieß. »Jetzt, wo mein Heanfax gerade weg ist, hätte ich einenkräftigen jungen Burschen wie dich gut brauchen können. Verdammte Dummheit – und halt jetzt nur deinen Mund!«
Neben dem Stall stand eine kleine Kate, deren Hinterwand mit dem Hauptgebäude der Herberge verbunden war. Freawaru hämmerte mit der Faust gegen die Tür.
»Deorhelm!«, rief er. »Bist du noch auf? Komm und sieh dir den Jungen hier an, und sag mir, ob du ihn schon mal irgendwo gesehen hast.« Drinnen vernahm man das Geräusch von Schritten.
»Beim verdammten Baum , bist du das, Freawaru?«, knurrte eine Stimme. »Wir müssen beim Hahnenschrei wieder auf der Straße sein.« Die Tür schwang auf. Mehrere Kerzen beleuchteten den dahinterliegenden Raum.
»Du hast Glück gehabt, dass wir beim Würfeln waren und noch nicht im Bett«, meinte der Mann, der die Tür geöffnet hatte. »Was gibt es?«
Simons Augen weiteten sich und sein Herz wollte unter den panischen Schlägen explodieren. Der Mann dort und der andere, der gerade an einem der Bettlaken sein Schwert polierte, trugen die grüne Uniform von Elias’ Erkyngarde!
»Dieser junge Strolch und Dieb von einem …«, konnte Freawaru gerade noch herausbringen, als Simon herumfuhr und dem Wirt den Kopf in den Magen rammte. Mit einem erschreckten Ausstoßen der Luft ging der Bärtige zu Boden. Simon sprang über seine strampelnden Beine und floh in den Schutz des Waldes; ein paar große Sätze, und er war verschwunden. Die beiden Soldaten starrten in sprachloser Verwunderung hinterher. Auf der Erde vor der von Kerzen erhellten Tür fluchte Freawaru, der Schankwirt, wälzte sich, trat um sich und fluchte wieder.
16
Der Weiße Pfeil
s ist ungerecht!«, schluchzte Simon vielleicht zum hundertsten Mal und schlug mit den Fäusten auf die nasse Erde ein. An seinen geröteten Knöcheln klebten Blätter; er fühlte sich kein bisschen wärmer. »Ungerecht!«, murmelte er und rollte sich wieder zur Kugel zusammen. Die Sonne war schon vor einer Stunde aufgegangen, aber das matte Licht brachte keine Wärme. Simon bibberte und weinte.
Und es war wirklich ungerecht. Was hatte er denn getan, dass er hier nass, unglücklich und heimatlos im Wald von Aldheorte kauerte, während andere Leute in warmen Betten schliefen oder gerade aufstanden und Brot und Milch und trockene Kleider vorfanden? Warum wurde er gejagt und gehetzt wie ein wildes Tier? Er hatte versucht, das Rechte zu tun und seinem Doktor sowie dem Prinzen zu helfen, und das hatte ihn zu einem
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