Der Drachenbeinthron
Möglich ist es, dass die Menschen in ihrer Umgebung einst auch so einen Unsinn gedacht haben … vielleicht war das der Grund, dass sie an diesen See kam.«
Binabik drehte sich um und begrüßte die ungeduldige Qantaqa. Er kratzte im dicken Fell ihres Rückens herum, und sie wand sich vor Vergnügen. Dann ging er mit einem Topf vor die Tür, ließ ihn ins Wasser hinunter und zog ihn gefüllt wieder empor, um ihn dann an einer Hakenkette über dem Feuer aufzuhängen.
»Du kennst Malachias schon aus der Burg, sagtest du?«
Simon beobachtete Qantaqa. Die Wölfin war wieder zum See getrottet und stand jetzt am seichten Ufer und fuhr mit der Schnauze ins Wasser. »Will sie Fische fangen?«, fragte er lachend.
Binabik lächelte geduldig und nickte. »Und sie schafft es sogar. – Malachias?«
»Oh. Ja, ich kenne ihn von dort … ein wenig. Ich habe ihn einmal erwischt, wie er mir nachspionierte. Allerdings hat er es bestritten. Hat er mit dir geredet? Hat er dir erzählt, was er und seine Schwester im Aldheorte wollten und wie man sie gefangen hat?«
Tatsächlich hatte Qantaqa einen Fisch geschnappt, ein silberglänzendes Wesen, das wild, aber sinnlos um sich schlug, als die Wölfin triefnass das Seeufer hinaufstieg.
»Mehr Glück hätte ich gehabt, einem Stein das Singen beizubringen.« Binabik fand auf einem von Geloës Regalen eine Schüssel mit getrockneten Blättern und zerkrümelte eine Handvoll davon über dem Topf mit dem kochenden Wasser. Sofort erfüllte ein warmer Duft nach Minze den Raum. »Fünf oder sechs Worte habe ich aus seinem Mund gehört, seitdem wir die beiden dort auf dem Baum fanden. Aber er erinnert sich an dich. Mehrfach habe ich gesehen, dass er dich anstarrte. Ich glaube, er ist nicht gefährlich – tatsächlich bin ich mir dessen völlig sicher –, aber trotzdem werden wir ihn beobachten müssen.«
Bevor Simon etwas antworten konnte, hörte er Qantaqa kurz bellen. Er blickte aus dem Fenster und sah die Wölfin aufspringen. Sieließ ihre größtenteils verzehrte Beute am Seeufer liegen und rannte den Pfad in den Wald hinauf. Gleich darauf war sie im Nebel verschwunden. Aber schon bald kam sie zurückgetrottet, gefolgt von zwei verschwommenen Schemen, die sich nach und nach in Geloë und den sonderbaren, fuchsgesichtigen Jungen Malachias verwandelten. Die beiden unterhielten sich angeregt. »Qinkipa!« , schnaubte Binabik und rührte im Wassertopf. »Auf einmal redet er!«
Geloë kratzte ihre Stiefel am Türrahmen ab und steckte den Kopf nach innen. »Überall Nebel!«, meinte sie. »Der Wald ist schläfrig heute.« Sie schüttelte ihren Mantel aus und trat ein, hinter ihr der wieder vorsichtig um sich blickende Malachias. Er hatte hochrote Wangen.
Geloë ging sofort zu ihrem Tisch und fing an, den Inhalt zweier Säcke zu sortieren. Sie war heute wie ein Mann gekleidet, dicke Wollhosen, Wams, abgetragene, aber feste Stiefel. Sie strömte kraftvolle Gelassenheit aus wie ein Kriegshauptmann, der jede mögliche Maßnahme getroffen hat und nun nur noch darauf wartet, dass die Schlacht beginnt.
»Ist das Wasser fertig?«, fragte sie.
Binabik beugte sich über den Topf und schnüffelte. »Es erweckt den Anschein«, erwiderte er dann.
»Gut.« Geloë löste ein kleines Stoffsäckchen vom Gürtel und holte eine Handvoll dunkelgrünes Moos heraus, auf dem noch Wasserperlen glänzten. Sie warf es ohne weitere Umstände in den Topf und rührte mit dem Stock um, den Binabik ihr gegeben hatte.
»Malachias und ich haben miteinander geredet«, erklärte sie und schielte in den Dampf hinunter. »Wir haben über viele Dinge gesprochen.« Sie sah auf, aber Malachias senkte nur den Kopf, und seine roten Wangen wurden sogar noch ein bisschen röter. Er ging zu Leleth und setzte sich zu ihr auf den Strohsack, ergriff ihre Hand und streichelte ihre blasse, feuchte Stirn.
Geloë zuckte die Achseln. »Nun, wir werden uns darüber unterhalten, wenn Malachias bereit ist. Für jetzt ist ohnehin genug zu tun.« Sie hob mit dem Ende des Rührstockes etwas Moos heraus, betastete es mit dem Finger, nahm dann von einem kleinen Holztisch eine Schüssel und löffelte den ganzen klebrigen Brei aus Blätternund Moos aus dem Topf. Die dampfende Schüssel trug sie zum Strohsack hinüber.
Während Malachias und die Zauberfrau aus dem Moos Breiumschläge herstellten, stieg Simon zum See hinunter. Die Hütte von Geloë sah bei Tageslicht von außen genauso wunderlich aus wie nachts von innen; das strohgedeckte Dach
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