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Der Drachenbeinthron

Der Drachenbeinthron

Titel: Der Drachenbeinthron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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abzustoßen!«
    »Ich mach das schon«, antwortete Simon rasch. Binabik nickte und ließ den langen Ast los, an dem er sich festgehalten hatte; sie stießen vom Ufer ab und trieben hinaus auf den brausenden Aelfwent.
    Zuerst war es, wie Simon rasch merkte, doch ein wenig schwierig. Einige der Felsen, denen sie aus dem Weg gehen mussten, waren über der glasigen Oberfläche des Wassers gar nicht sichtbar, sondern lagen unmittelbar darunter, sodass sie nur durch die glänzenden Buckel zu erahnen waren, die das Wasser darüber bildete. Dererste, den Simon nicht sah, verursachte ein grässliches Geräusch, als der straffgespannte Rumpf an ihm entlangschrammte, sodass sie alle einen Augenblick Angst bekamen; aber das kleine Boot sprang von dem Stein fort wie ein Schaf vor den Scheren. Bald hatte Simon ein Gefühl für das Fahrzeug; an manchen Stellen schien es fast über das Wasser zu fliegen, schwerelos wie ein Blatt auf dem wogenden Rücken des Flusses.
    Als sie in einen Abschnitt mit ruhigerem Fahrwasser kamen und das Tosen der Felsen hinter ihnen zurückblieb, spürte Simon, wie ihm das Herz in der Brust schwoll. Die neckenden Hände des Flusses zupften an seinem Paddel, das lose im Wasser trieb. Eine Erinnerung an die breiten Zinnen des Hochhorstes, auf denen er herumgeklettert war, stieg in ihm auf – als er atemlos gestaunt hatte über das Gefühl der Macht, über den Anblick der säuberlichen Felder tief unter ihm. Ihm fiel ein, wie er in der Glockenstube des Engelsturmes gehockt und auf die aneinandergeduckten Häuser von Erchester hinuntergeschaut hatte, hinaus in die weite Welt, den Wind im Gesicht. Hier, im Heck des kleinen Bootes, kauerte er von neuem zugleich in der Welt und darüber, weit darüber, segelte wie der Frühlingswind, der durch die Baumkronen strich. Er hob das Paddel vor sich in die Höhe … und es war ein Schwert.
    Usires war ein Seemann, fing er an zu singen, die Worte fielen ihm plötzlich wieder ein. Es war eine Melodie, die ihm jemand vorgesungen hatte, als er noch sehr klein gewesen war.
    Usires war ein Seemann,
    wohl auf dem weiten Ozean,
    er nahm das Gotteswort mit sich
    und segelte nach Nabban-o!
    Binabik und Marya drehten sich nach ihm um; Simon grinste.
    Tiyagaris war ein Kriegsmann,
    wohl auf dem weiten Ozean,
    er nahm das Wort des Rechts mit sich
    und segelte nach Nabban-o!
    Und Johan war ein König,
    wohl auf dem weiten Ozean,
    er nahm das Ädonswort mit sich
    und segelte nach Nabban-o!
    Er verstummte.
    »Warum hörst du auf?«, fragte Binabik. Marya betrachtete ihn immer noch mit einem nachdenklichem Gesichtsausdruck. »Das ist alles, was ich von dem Lied kenne«, erklärte Simon und versenkte sein Paddel wieder im gurgelnden Kielwasser des Bootes. »Ich erinnere mich nicht einmal, woher ich es habe. Ich glaube, eine der Kammerfrauen hat es gesungen, als ich ein Kind war.«
    Binabik lächelte. »Ein gutes Lied für eine Flussreise, finde ich, obwohl einige der Einzelheiten über wenig historische Richtigkeit verfügen. Bist du sicher, dass du dich an nichts mehr erinnern kannst?«
    »Leider ja.« Das Versagen seiner Erinnerung kümmerte ihn wenig. Diese eine kurze Stunde auf dem Fluss hatte seine Laune ganz und gar gehoben. Er war einmal auf einem Fischerboot mit in der Bucht gewesen und hatte es sehr schön gefunden … aber das war nichts im Vergleich zu dem vorüberrauschenden Wald und dem Gefühl des zierlichen Bootes unter ihm, so sensibel und empfänglich für seine Kommandos wie ein junges Pferd.
    »Ich kenne keine Segellieder«, bemerkte der Troll, der sich über Simons veränderte Stimmung freute. »Im hohen Qanuc sind die Flüsse aus Eis, und nur die kleinen Trollinge rutschen darauf herum. Ich könnte allenfalls etwas vom mächtigen Chukku und seinen Abenteuern singen …«
    »Ich kenne ein Flusslied«, unterbrach ihn Marya und fuhr sich mit schmaler, weißer Hand durch den schwarzen Haarschopf. »Die Straßen von Meremund sind voll von Seemannsliedern.«
    »Meremund?«, fragte Simon. »Wie kommt ein Burgmädchen nach Meremund?«
    Marya kräuselte die Lippen. »Wo, glaubst du, haben die Prinzessin und ihr ganzer Hof gelebt, bevor wir zum Hochhorst kamen – in der Einöde von Nascadu?« Sie schnaubte. »Natürlich in Meremund.Es ist die schönste Stadt der Welt, in der sich das Meer und der große Gleniwent-Fluss begegnen. Du kannst das nicht wissen, du warst nie dort.« Sie lächelte ein wenig maliziös. »Burgjunge!«
    »Dann sing!«, mischte Binabik sich ein und

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