Der Drachenbeinthron
einen Fehler, der Heahferths Männern leid tun könnte, falls sie ihr nicht den gehörigen Respekt entbieten. Schon lange Zeit schreitet Valada Geloë durch Osten Ard; viele Jahre lebt sie im Wald und viele, viele Jahre wohnte sie zuvor bei den Rimmersgardern. Und noch weit früher kam sie aus dem Süden nach Nabban; von ihren Reisen davor weiß niemand. Sie ist jemand, der für sich selbst einstehen kann, darauf kannst du dich verlassen – weit besser als ich oder sogar, wie auf sotraurige Weise bewiesen, jener gute Mann Morgenes.« Er griff nach einem neuen Apfel, dem letzten im Sack. »Aber genug von solchen Dingen. Der Fluss wartet, und unsere Herzen müssen leicht sein, damit wir schneller vorwärtskommen.«
Später am Nachmittag, als die Schatten der Bäume über dem Fluss zusammenzufließen begannen, erfuhr Simon mehr über die Geheimnisse des Aelfwent. Er fischte gerade in seinem Rucksack nach einem Stück Stoff, das er um seine Hände wickeln wollte, um die Blasen zu schützen, die ihm das rauhe Paddel eingetragen hatte, und zog etwas heraus, das sich anfühlte, als sei es dafür geeignet. Es war der Weiße Pfeil, immer noch in den zerfetzten Saum seines Hemdes gehüllt. Simon war überrascht, ihn plötzlich wieder in der Hand zu halten, seine Köstlichkeit zu spüren, einer Feder gleich, die im ersten verirrten Windhauch davonschweben kann. Vorsichtig wickelte der Junge ihn aus dem schützenden Tuch.
»Schau«, sagte er zu Marya und griff über Qantaqa hinüber, um ihr den Pfeil in seinem Nest aus Lumpen zu zeigen. »Es ist ein Weißer Pfeil der Sithi. Ich habe einem Sitha das Leben gerettet, und er gab ihn mir.« Er überlegte kurz. »Schoss ihn nach mir, besser gesagt.« Es, war ein Werk von großer Schönheit, fast leuchtend im schwindenden Licht, wie die schimmernde Brust eines Schwans. Marya betrachtete ihn kurz und berührte ihn dann mit spitzem Finger.
»Hübsch«, meinte sie, aber in ihrem Ton lag nichts von der Bewunderung, die Simon erhofft hatte.
»Natürlich ist er hübsch! Er ist heilig. Er bedeutet, dass eine Schuld offensteht. Frag Binabik, er kann es dir bestätigen.«
»Simon hat recht«, rief der Troll vom Bug herüber. »Es geschah, kurz bevor wir einander begegneten.«
Marya fuhr fort, den Pfeil gelassen zu mustern, als wäre sie mit ihren Gedanken an einem ganz anderen Ort. »Er ist wunderschön«, sagte sie, und ihre Stimme klang kaum überzeugender als vorher. »Du hast großes Glück gehabt, Simon.«
Er wusste nicht warum, aber die Worte machten ihn wütend. Begriff sie denn nicht, was er durchgemacht hatte? Begräbnisstätte, Sithifalle, die Hunde, die Feindschaft eines Hochkönigs? Wer warsie, dass sie ihm antwortete wie eine der Kammerfrauen, die ihn tröstete, wenn er sich das Knie aufgeschürft hatte, und dabei an etwas ganz anderes dachte?
»Natürlich«, meinte er endlich und hielt den Pfeil vor sich in die Höhe, sodass sich ein fast waagrechter Sonnenstrahl darin brach und das Flussufer wie ein vorüberziehender Teppich dahinterlag, »natürlich hat er mir inzwischen Glück gebracht – ich bin überfallen worden, gebissen, gejagt, litt Hunger –, ich hatte so viel Glück, dass ich ihn genauso gut nie bekommen haben könnte.« Er starrte den Pfeil ärgerlich an und ließ den Blick über die Schnitzereien wandern, die ihm vorkamen wie die Geschichte seines Lebens, nachdem er den Hochhorst verlassen hatte: verwickelt, aber sinnlos.
»Ich könnte ihn wirklich ruhig wegwerfen«, sagte er bitter – natürlich würde er es nie tun, aber es war seltsam befriedigend, sich vorzustellen, dass es immerhin in seiner Macht stand –, »ich meine, was habe ich denn schon Gutes von ihm gehabt?«
Binabiks Warnruf kam mitten im Satz, aber bis Simon begriffen hatte, war es bereits zu spät. Das Boot prallte fast senkrecht auf den verborgenen Felsen; es schwankte, und das Heck senkte sich mit saugendem Aufklatschen ins Wasser. Der Pfeil wurde aus Simons Hand gerissen, drehte sich in der Luft und fiel in die um die Felsen tosenden Fluten. Als das Hinterteil des Bootes herunterkippte, drehte Simon sich um; gleich darauf rutschten sie von einem weiteren versunkenen Felsen ab, und Simon stürzte. Das Boot legte sich schief, ohne zu kentern, doch er fiel …
Das Wasser war erschreckend kalt. Einen Augenblick schien es, als sei er durch ein Loch in der Welt in völlige Nacht gestürzt. Dann brach er prustend an die Oberfläche, wie verrückt in dem strudelnden Wasser herumwirbelnd. Er
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