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Der Drachenbeinthron

Der Drachenbeinthron

Titel: Der Drachenbeinthron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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stieß gegen einen Felsen, drehte sich und ging wieder unter; Wasser drängte ihm die Luft aus Nase und Mund. Mühsam streckte er den Kopf wieder heraus und spannte die Muskeln, als ihn die gurgelnde Strömung gegen ein hartes Hindernis nach dem anderen schleuderte. Eine Sekunde fühlte er Wind im Gesicht und sog ihn hustend ein; er spürte, wie etwas von der Usiressei-gelobten Luft den Weg in seine brennenden Lungen fand. Dann war er plötzlich an den Felsen vorbei und schwamm frei, strampeltemit den Füßen, um den Kopf über der Wasseroberfläche zu halten. Zu seiner Verblüffung befand sich das Boot jetzt hinter ihm und glitt gerade um die letzten der Buckelsteine herum. Binabik und Marya paddelten aus Leibeskräften, die Augen groß vor Angst, aber Simon merkte, dass sich die Entfernung allmählich vergrößerte. Er trieb stromabwärts, und als er den Kopf wild nach allen Seiten drehte, sah er, dass die Flussufer erschreckend weit weg waren. Wieder tat er einen tiefen, keuchenden Atemzug.
    »Simon!«, schrie Binabik. »Schwimm zu uns zurück! Wir können nicht schnell genug rudern!«
    Mit großer Anstrengung versuchte er zu wenden und sich zu ihnen zurückzukämpfen, aber der Fluss zog ihn mit tausend unsichtbaren Fingern fort. Er spritzte und versuchte seinen Händen die Form eines Paddels zu geben, wie es ihm Rachel – Morgenes? – einmal gezeigt hatte, während man ihn im seichten Wasser des Kynslagh festhielt; aber gegen die alles mitreißende Macht der Strömung schien ihm der Versuch lächerlich. Er ermüdete jetzt schnell, konnte seine Beine nicht mehr finden, fühlte nur noch kalte Leere, in der er herumstocherte. Wasser spritzte ihm in die Augen, ließ die herunterhängenden Zweige in allen Regenbogenfarben schillern, dann glitt er wieder hinab in die Tiefe. Etwas schlug klatschend neben seiner Hand auf, und er ruderte mit den Armen im kalten Wasser, um ein letztes Mal nach oben zu kommen. Es war Maryas Paddel. Mit ihrer größeren Reichweite hatte sie sich an Binabiks Platz im Bug geschoben und den Arm so weit ausgestreckt, dass nur noch wenige Zoll das flache Holzstück von seinem Griff trennten. Neben ihr stand bellend Qantaqa, die sich, als wollte sie es ihr nachtun, fast ebenso weit hinauslehnte wie das Mädchen; das kopflastig gewordene Kanu lag gefährlich schräg.
    Simon sandte einen Gedanken dorthin zurück, wo einmal seine Beine gewesen waren, forderte sie auf, um sich zu treten, falls sie ihn hören könnten, und reckte die Hand. Er fühlte das Paddel kaum, als seine tauben Finger sich darum schlossen, aber es war da, genau dort, wo er es brauchte.
    Nachdem sie ihn an Bord gezogen hatten – an sich schon eine beinahe unmögliche Aufgabe, weil er mehr wog als alle anderen, dieWölfin ausgenommen – und er große Mengen Flusswasser herausgehustet und -gespuckt hatte, lag er keuchend und schlotternd da, auf dem Boden des Bootes zur Kugel zusammengerollt, während das Mädchen und der Troll nach einem Anlegeplatz Ausschau hielten.
    Er fand genug Kraft, um allein, auf unsicheren Beinen, aus dem Boot zu klettern. Als er auf die Knie fiel und dankbar die Hände auf den weichen Waldboden stützte, griff Binabik nach unten und zog etwas aus dem triefenden, zerlumpten Fetzen, der Simons Hemd gewesen war.
    »Schau, was sich in deinen Kleidern verfangen hat«, sagte Binabik und sein Gesicht hatte einen sonderbaren Ausdruck. Es war der Weiße Pfeil. »Wir wollen ein Feuer für dich machen, Freund Simon. Vielleicht hast du eine Lektion gelernt – eine grausame Lektion, aber sehr wichtig –, dass man von den Geschenken der Sithi nicht schlecht reden soll, wenn man auf einem Sithifluss fährt.«
    Simon hatte nicht einmal mehr die Kraft, verlegen zu sein, als Binabik ihm beim Ausziehen half und ihn in seinen Mantel einpackte. Vor dem gesegneten Feuer schlief er ein. Wenig überraschend waren seine Träume dunkel und voll von Dingen, die nach ihm griffen und ihn zu ersticken suchten.
    Am nächsten Morgen hingen die Wolken tief. Simon fühlte sich sehr schlecht. Nachdem er, gegen den Protest seines verstörten Magens, ein paar Streifen Dörrfleisch gekaut und hinuntergeschluckt hatte, kletterte er vorsichtig ins Boot und überließ Marya den Platz am Heck, während er sich in der Mitte zusammenkauerte, dicht an Qantaqas warmen Körper geschmiegt. Den ganzen langen Tag auf dem Fluss schlief er immer wieder ein. Das vorbeigleitende, verschwommene Grün, das der Wald war, verursachte bei ihm

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