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Der Drachenbeinthron

Der Drachenbeinthron

Titel: Der Drachenbeinthron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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auch Schlagstöcke – oder eher Keulen. Jedenfalls hat Josuaerklärt, er würde den Kopf eines Feindes nicht zur Volksbelustigung aufpflanzen. Sie sollten ihn verbrennen.« Strangyeard zupfte sich am Ohr. »Also verbrennen sie ihn jetzt.«
    »Heute Abend?« Simon musste sich anstrengen, mit den langen Schritten des Priesters mitzuhalten.
    »Sobald der Scheiterhaufen fertig ist. Prinz Josua möchte nicht mehr daraus machen als unbedingt nötig. Ich bin überzeugt, er hätte den Hune am liebsten gleich oben in den Bergen begraben, aber die Leute wollen sehen, dass er tot ist.« Vater Strangyeard zeichnete hastig das Zeichen des Baumes auf seiner Brust. »Es ist schon der dritte, der in diesem Monat vom Norden heruntergekommen ist. Einer von den anderen hat den Bruder des Bischofs getötet. Das ist alles höchst unnatürlich.«
    Binabik lag in einer kleinen Kammer, die von der Kapelle abging. Die Kapelle stand im Innenhof, umrahmt von den Hauptgebäuden der Burg. Der Troll sah sehr bleich aus und schien kleiner, als Simon erwartet hatte, so als habe er einen Teil seiner Substanz verloren; aber sein Lächeln war fröhlich.
    »Freund Simon«, sagte er und setzte sich vorsichtig auf. Sein kleiner, brauner Oberkörper war bis zum Schlüsselbein dick verbunden. Simon widerstand dem Drang, den kleinen Mann zu umarmen, weil er die heilenden Wunden nicht wieder aufreißen wollte. Stattdessen setzte er sich auf den Rand des Lagers und ergriff eine von Binabiks warmen Händen.
    »Ich dachte, wir hätten dich verloren«, sagte Simon, und die Zunge lag dick in seinem Mund.
    »Das dachte ich auch, als mich der Pfeil traf«, erwiderte der Troll mit einem reuigen Kopfschütteln. »Aber anscheinend ist nichts von entscheidender Bedeutung durchbohrt worden. Man hat mich gut gepflegt, und bis auf eine gewisse Schmerzhaftigkeit der Bewegung bin ich fast wieder gesund.« Er wandte sich dem Priester zu. »Ich bin heute auf dem Hof herumgegangen.«
    »Gut, sehr gut.« Vater Strangyeard lächelte abwesend und zupfte an der Schnur, die seine Augenklappe hielt. »Ich muss jetzt gehen. Bestimmt gibt es vieles, das ihr beiden miteinander besprechenmöchtet.« In der Tür drehte er sich noch einmal um. »Simon, bitte mach von meinem Zimmer Gebrauch, solange es dir gefällt. Ich teile inzwischen mit Bruder Eglaf die Kammer. Er gibt zwar im Schlaf fürchterliche Töne von sich, aber er ist ein guter Mensch und nimmt mich bereitwillig auf.«
    Simon dankte ihm. Nachdem der Priester Binabik weiterhin gute Genesung gewünscht hatte, entfernte er sich.
    »Er ist ein Mann von vortrefflichem Verstand, Simon«, meinte Binabik, während sie den Schritten Strangyeards lauschten, die im Gang verhallten. »Meister der Burgarchive ist er. Wir hatten schon wunderbare Gespräche.«
    »Aber ein wenig merkwürdig, nicht wahr? Irgendwie … zerstreut?«
    Binabik lachte, zuckte dann zusammen und hustete. Erschreckt beugte Simon sich zu ihm vor, aber der Troll winkte ab. »Nur einen Augenblick«, sagte er. Als er wieder zu Atem gekommen war, fuhr er fort: »Manche Menschen, Simon, deren Kopf voller Gedanken ist, vergessen zu sprechen und sich zu benehmen wie gewöhnliche Leute.«
    Simon nickte und betrachtete den Raum. Er war dem Strangyeards sehr ähnlich: karg, klein, mit weißgekalkten Wänden. Statt der Bücher- und Pergamentstapel lag auf dem Schreibtisch nur ein Exemplar des Buches Ädon. Ein rotes Band hielt wie eine schmale Zunge die Stelle fest, an der der letzte Leser aufgehört hatte.
    »Weißt du, wo Marya ist?«, fragte Simon.
    »Nein.« Binabik machte ein äußerst ernstes Gesicht. Simon fragte sich, warum. »Ich nehme an, sie hat Josua ihre Botschaft überbracht. Vielleicht hat er sie zu der Prinzessin zurückgeschickt, wo immer sie sich aufhalten mag, um ihr seine Antwort mitzuteilen.«
    »Nein!« Dieser Gedanke gefiel Simon ganz und gar nicht. »Wie hätte das alles so schnell geschehen können?«
    »So schnell?« Binabik lächelte. »Heute ist der Morgen des zweiten Tages nach unserer Ankunft in Naglimund.«
    Simon war verdutzt. »Wie kann das sein? Ich bin doch gerade erst aufgewacht.«
    Binabik ließ sich kopfschüttelnd in die Laken zurücksinken. »Dasstimmt nicht. Du hast gestern fast den ganzen Tag geschlafen, bist aber mehrfach aufgewacht, um etwas Wasser zu trinken, und dann gleich wieder eingeschlafen. Ich vermute, das letzte Stück unserer Reise hat dich arg geschwächt, so kurz nach dem Fieber, das du dir bei der Flussfahrt zugezogen

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