Der Drachenbeinthron
Mädchen, das Euch die Botschaft Eurer Nichte Miriamel brachte …« Er holte Atem. »Wisst Ihr, wo sie ist?«
Josua hob eine Augenbraue. »Selbst in unseren dunkelsten Tagen kommen wir nicht von ihnen los, wie?« Der Prinz schüttelte den Kopf. »Ich fürchte, ich kann dir da nicht helfen, junger Mann. Gute Nacht.«
Simon verneigte sich und entfernte sich rückwärts durch den Vorhang.
Auf dem Rückweg von dieser verwirrenden Audienz beim Prinzen fragte sich Simon, was wohl aus ihnen allen werden würde. Es war ihm als so großer Sieg vorgekommen, dass sie Naglimund erreicht hatten. Wochenlang hatte er kein anderes Ziel gekannt, war keinem anderen Stern gefolgt. Seit er seine Heimat verlassen musste, hatte er sich allein darauf konzentriert und so die weit größeren Fragen zurückgedrängt. Nun war aus dem, was im Vergleich zu der gefährlichen Reise wie ein Paradies an Sicherheit ausgesehen hatte,plötzlich nur eine neue Falle geworden. Josua hatte es mehr oder weniger unverhüllt ausgesprochen: Wenn man sie nicht besiegte, würde man sie aushungern.
Als er in Strangyeards kleiner Kammer angekommen war, kroch er sofort ins Bett, aber noch zweimal hörte er die Posten die Stunde rufen, bevor er einschlief.
Noch ganz benommen hörte Simon es an die Tür klopfen und öffnete, um einen grauen Morgen, eine große Wölfin und einen Troll vor sich zu sehen.
»Ich bin erschreckt, dich im Bett zu finden!« Binabik grinste unverschämt. »Nur ein paar Tage aus der Wildnis heraus, und schon hat die Zivilisation ihre Krallen der Faulheit in dich geschlagen!«
»Ich bin nicht« – Simon runzelte die Stirn – »im Bett. Nicht mehr. Aber warum bist du nicht dort?«
»Im Bett?«, fragte Binabik, stapfte langsam ins Zimmer hinein und stieß die Tür mit der Hüfte zu. »Es geht mir besser – oder jedenfalls einigermaßen. Dinge müssen getan werden.« Er sah sich mit schmalen Augen um, während Simon auf den Rand seines Lagers zurücksank und die eigenen nackten Füße betrachtete. »Weißt du, wo der Rucksack ist, den wir gerettet haben?«, erkundigte der Troll sich endlich.
»Urrh«, grunzte Simon und machte eine Handbewegung in Richtung Fußboden. »Er war unter dem Bett, aber ich glaube, Vater Strangyeard hat ihn genommen, um sich Morgenes’ Buch zu holen.«
»Wahrscheinlich liegt er noch dort«, meinte Binabik und ließ sich vorsichtig auf Hände und Knie nieder. »Der Priester scheint mir ein Mensch zu sein, der zwar Leute vergisst, aber Dinge, sobald er sie nicht mehr braucht, an ihren Platz zurückstellt.« Er krabbelte unter das Bett. »Aha! Da ist er ja.«
»Ist das nicht schlecht für deine Wunde?«, fragte Simon, der sich schuldig fühlte, weil er sich nicht erboten hatte, selber nachzusehen. Binabik kroch rückwärts wieder hervor und stand auf – sehr achtsam, wie Simon bemerkte.
»Trolle haben eine schnelle Heilung«, erklärte er und grinste breit. Trotzdem machte Simon sich Sorgen.
»Ich glaube nicht, dass du schon aufstehen und herumlaufen solltest«, meinte er, während Binabik den Rucksack durchsuchte. »So wirst du nicht gesund.«
»Eine wunderbare Trollmutter gäbest du ab«, bemerkte Binabik, ohne aufzublicken. »Möchtest du mir nicht auch mein Fleisch vorkauen? Qinkipa! Wo sind nur diese Knöchel?«
Simon ging in die Knie und suchte seine Stiefel – was sich als schwierig erwies, weil die Wölfin ständig in der engen Kammer hin und her lief.
»Kann Qantaqa nicht draußen warten?«, fragte er, als sie ihn zum wiederholten Mal mit der breiten Flanke anstieß.
»Deine beiden Freunde werden sich mit Vergnügen entfernen, wenn wir dir eine Behinderung bedeuten, Simon«, antwortete der Troll spitz. » Aia! Hier haben sie sich versteckt!«
Der Junge starrte den Troll machtlos an. Binabik war tapfer, klug, freundlich, an Simons Seite verwundet worden – und auch ohne das alles viel zu klein, als dass man ihn hätte verprügeln können. Simon stieß einen Laut des Widerwillens aus und krabbelte zu ihm hinüber.
»Wozu brauchst du die Knochen?« Er spähte über die Schulter des Trolls. »Ist mein Pfeil noch da?«
»Der Pfeil, ja«, erwiderte sein Freund. »Die Knochen? Weil Tage der Entscheidung vor uns liegen und ich ein Narr wäre, auf weisen Rat zu verzichten.«
»Gestern Abend hat mich der Prinz holen lassen.«
»Ich weiß.« Binabik schüttelte die Knochen aus ihrem Sack und wog sie in der Hand. »Ich habe heute Morgen mit ihm gesprochen. Die Hernystiri sind da. Es wird heute
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