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Der Drachenbeinthron

Der Drachenbeinthron

Titel: Der Drachenbeinthron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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gingen sie um die Außenmauer herum und zur Waffenkammer, einem langen, schmalen Raum hinter der hämmernden Schmiede. Als der Waffenwart sie an Reihen zerbeulter Rüstungen und blinder Schwerter vorbeiführte, sah Simon mit Betrübnis auf diesen Bodensatz der Burgbewaffnung, der nur kargen Schutz gegen die schimmernden Legionen bieten konnte, die Elias ins Feld führen würde.
    »Nicht mehr viel übrig«, bemerkte Haestan. »War von Anfang an zu wenig. Hoffentlich bringen die fremden Hilfstruppen mehr mit als nur Mistgabeln und Pflugscharen.«
    Endlich fand der hinkende Waffenwart ein Schwert mit Scheide, das in den Augen des Wachsoldaten schlank genug für Simons Größe war. Die Klinge war mit einer Schicht aus getrocknetem Öl überzogen, und der Waffenwart konnte nur mühsam ein angewidertes Stirnrunzeln unterdrücken. »Polier es«, sagte er trotzdem, »dann wird es ein Prachtstück.«
    Die weitere Suche förderte einen Langbogen zutage, dem zwar die Sehne fehlte, der aber sonst in ordentlichem Zustand zu sein schien, sowie einen ledernen Köcher.
    »Thrithingsarbeit«, meinte Haestan und zeigte auf die rundäugigen Hirsche und Kaninchen, die in das dunkle Leder geätzt waren. »Feine Köcher machen sie, die Thrithingmänner.« Simon hatte das Gefühl, dass dem Wachsoldaten das unansehnliche Schwert etwas peinlich war.
    Ins Wachhaus zurückgekehrt, entlockte Haestan dem Quartiermeister eine Bogensehne und ein halbes Dutzend Pfeile und zeigte Simon dann, wie er seine neuen Waffen putzen und pflegen sollte.
    »Von dir weg wetzen, Junge, von dir weg!«, erklärte der stämmige Wachsoldat und ließ die Klinge über den Wetzstein tanzen, »sonst bist du ein Mädchen, bevor du noch ein Mann warst.«
    Gegen alle Wahrscheinlichkeit fand Simon unter der Schmutzkruste tatsächlich einen Schimmer echten Stahls. Er hatte gehofft, nun sofort mit dem Schwertschwingen oder wenigstens demZielschießen anfangen zu dürfen. Aber stattdessen holte Haestan ein Paar mit Stoff gepolsterte Holzstöcke hervor und führte Simon zum Stadttor hinaus auf den Berg oberhalb von Naglimund. Schnell erfuhr der Junge, wie wenig Ähnlichkeit seine Spiele mit Jeremias, dem Wachszieherjungen, mit den Übungen wirklicher Soldaten gehabt hatten.
    »Speere wären besser«, meinte Haestan, als Simon im Gras hockte und schnaufte, weil er sich einen Stoß in den Magen eingefangen hatte. »Aber so wie es aussieht, haben wir keine übrig. Darum verlass dich auf die Pfeile, Junge. Trotzdem ist es auch ganz schön, wenn man sich ein bisschen mit dem Schwert auskennt … für den Nahkampf. Da wirst du dem alten Haestan noch hundertmal dankbar sein.«
    »Warum … nicht … Bogen?«, keuchte Simon.
    »Morgen, Junge, gibt’s Bogen und Pfeile … oder übermorgen.« Haestan lachte und streckte eine breite Pranke aus. »Steh auf. Das Vergnügen für heute hat gerade erst angefangen.«
    Müde, wund, wie Weizen gedroschen, bis er glaubte, die Spreu aus seinen Ohren rieseln zu spüren, aß Simon nachmittags mit den Wachen Bohnen und Brot, während Haestan den theoretischen Teil der Ausbildung fortsetzte, von dem Simon allerdings das meiste gar nicht mitbekam, weil es in seinen Ohren beständig fiepte. Endlich wurde er mit der Mahnung entlassen, sich morgen früh pünktlich einzustellen. Er stolperte zu Strangyeards leerer Kammer zurück und schlief ein, ohne auch nur die Stiefel auszuziehen.
    Durch das offene Fenster spritzte der Regen herein. In der Ferne murrte der Donner. Simon wachte auf und fand Binabik, der wie am Morgen auf ihn wartete, so als habe es den langen, schmerzhaften Nachmittag nicht gegeben. Diese Illusion freilich verflüchtigte sich sofort, als er sich aufsetzte: Jeder einzelne Muskel war steif. Er fühlte sich wie ein Hundertjähriger.
    Binabik brauchte einige Zeit, bis er Simon davon überzeugt hatte, dass er aufstehen müsse. »Es handelt sich nicht um eine abendliche Körperertüchtigungsveranstaltung, an der man teilnehmen kann oder auch nicht. Hier geht es um Dinge, von denen unser Leben abhängt.«
    Simon hatte sich wieder hingelegt. »Ich glaube es dir ja … aber wenn ich aufstehe, sterbe ich.«
    »Genug.« Der kleine Mann packte ihn am Handgelenk, stemmte die Fersen gegen den Boden und zerrte – für beide ein schmerzhafter Vorgang – Simon langsam in eine sitzende Stellung. Man hörte ein tiefes Aufstöhnen und dann einen Plumps, als einer von Simons gestiefelten Füßen den Boden berührte. Dann gab es eine lange, stumme Pause,

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