Der Drachenbeinthron
schien aber nach einer Weile den Fadenwiederzufinden. »Es war ungemein freundlich von Eglaf, es uns zu leihen. Er hat so etwa Eure Gestalt, glaube ich, wenn er auch nicht ganz so hochgewachsen ist.«
»Eglaf?«, fragte Isgrimnur ratlos. »Wer ist Eglaf? Josua, was soll dieser Unfug?«
»Bruder Eglaf, natürlich«, erläuterte Strangyeard.
»Eure Verkleidung, Isgrimnur«, führte der Prinz weiter aus, während der Burgarchivar das Bündel entfaltete. Es entpuppte sich als Auswahl schwarzwollener Priestergewänder. »Ihr seid ein frommer Mann, Onkel. Ich bin überzeugt, Ihr könnt die Rolle spielen.« Der Herzog hätte schwören können, dass Josua sich ein Lächeln verbiss.
»Was? Priesterkleidung?« Isgrimnur erkannte allmählich die Umrisse des Planes und war keineswegs amüsiert.
»Wie könntet Ihr besser unbemerkt nach Nabban reisen, wo Mutter Kirche als Königin herrscht und es fast mehr Priester gibt als Bürger?« Jetzt lächelte Josua tatsächlich.
Isgrimnur war außer sich vor Wut. »Josua! Ich habe schon früher um Euren Verstand gefürchtet; jetzt aber weiß ich, dass Ihr ihn vollständig verloren habt. Das ist der lächerlichste Einfall, den ich je gehört habe. Und wer, zu allem Überfluss, hat je von einem Ädoniterpriester mit Bart gehört?« Er schnaubte verächtlich.
Der Prinz warf einen Blick auf Vater Strangyeard, der die Gewänder auf einen Stuhl legte und sich rückwärts auf die Tür zubewegte, trat an einen Tisch und hob ein Tuch. Darunter kamen eine Schüssel mit heißem Wasser und ein blinkendes, frisch gewetztes Rasiermesser zum Vorschein.
Isgrimnurs gewaltiges Aufbrüllen ließ unten in der Burgküche das Geschirr erzittern.
»Sprecht, Sterbliche. Kommt ihr als Spione in unsere Berge?«
Eisiges Schweigen folgte Prinz Jirikis Worten. Aus dem Augenwinkel beobachtete Simon, wie Grimmric hinter sich griff und die Wand nach etwas abtastete, das er als Waffe benutzen könnte.Sludig und Haestan warfen den Sithi, die sie umringt hatten, grimmige Blicke zu, fest davon überzeugt, dass man jetzt gleich über sie herfallen würde.
»Nein«, antwortete Binabik rasch. »Gewiss seht Ihr selbst, dass wir keine Erwartung hatten, hier auf Euer Volk zu stoßen. Wir kommen aus Naglimund, ausgesandt von Prinz Josua, mit einem Auftrag von höchster Wichtigkeit. Wir suchen …«
Der Troll zögerte, als fürchte er, zu viel zu sagen. Dann jedoch fuhr er achselzuckend fort: »Wir sind unterwegs zum Drachenberg, um dort nach Camaris-sá-Vinittas Schwert Dorn zu suchen.«
Jirikis Augen wurden schmal, und der Grüngekleidete hinter ihm, den er Onkel genannt hatte, stieß mit dünnem Pfeifen den Atem aus.
»Was wollt ihr mit einem solchen Ding anfangen?«, fragte Khendraja’aro.
Darauf wollte Binabik nicht antworten. Er blickte unglücklich auf den Boden der Höhle. Die Luft schien zu stehen, als die Sekunden vergingen.
»Es soll uns vor Ineluki retten – vor dem Sturmkönig!«, platzte Simon heraus. Bis auf ein Blinzeln blieben die Gesichter der Sithi regungslos. Niemand sagte ein Wort.
»Sprecht weiter«, verlangte Jiriki endlich.
»Wenn Ihr es wünscht«, erwiderte Binabik. »Es ist Teil einer Geschichte, die fast so lang ist wie Euer Ua’kiza Tumet’ai nei-R’i’anis – das Lied vom Untergang Tumet’ais. Wir wollen versuchen, Euch mitzuteilen, was wir wissen.«
Der Troll erklärte eilig die wichtigsten Tatsachen. Simon kam es vor, als lasse er absichtlich vieles aus; einige Male sah Binabik beim Sprechen auf und begegnete seinem Blick, als mahne er den Jungen zu schweigen.
Binabik berichtete den schweigenden Sithi von den Vorbereitungen zur Verteidigung Naglimunds und den Verbrechen des Hochkönigs. Er erläuterte, was Jarnauga erzählt hatte, sprach von Nisses’ Buch und sagte die Verse her, die sie veranlasst hatten, sich auf die Reise zum Urmsheim zu machen.
Als er seine Geschichte beendet hatte, sah sich der Troll Jirikis ausdruckslos starrem Blick und der Zweifel verratenden Mieneseines Onkels gegenüber – und einem so tiefen Schweigen, dass das tönende Echo des Wasserfalles anzuschwellen schien, bis es den Raum mit seinem Klang ganz und gar ausfüllte. Was für ein Welt des Wahnsinns und der Träume diese Höhle doch war, und in was für eine aberwitzige Geschichte sie hineingeraten waren! Simon merkte, dass sein Herz wie rasend schlug, und zwar nicht allein aus Furcht.
»Das ist schwer zu glauben, Sohn meiner Schwester«, bemerkte Khendraja’aro endlich und spreizte mit
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