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Der Drachenbeinthron

Der Drachenbeinthron

Titel: Der Drachenbeinthron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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war so jung …«
    Tastend streckte er die weiße Hand aus. Zu spät hielt Josua ihm die seine entgegen. Statt sie zu ergreifen, berührten die langen, kalten Finger des Königs den lederumwickelten Stumpf an Josuas rechtem Arm. Seine Augen blitzen und wurden lebendig, das Gesicht verzerrte sich zu einer Maske der Wut.
    »Kriech zurück in dein Versteck, Verräter !«, fauchte er. Josua riss den Arm zurück. »Lügner! Lügner! Bis auf den letzten Stein werde ich es niederreißen!«
    Der Hass, der von dem König ausging, schlug so plötzlich und so heftig durch den Raum, dass Deornoth zurücktaumelte und Pryrates sich befreien konnte.
    »Ich werde dich so völlig vernichten«, donnerte Elias und wand sich in seinem Stuhl, während Josua zur Zelttür schritt, »dass Gott der Allmächtige tausend Jahre lang suchen kann und nicht einmal deine Seele finden wird!«
    Der junge Soldat Ostrael war von den Gesichtern Deornoths und des Prinzen so entsetzt, dass er den ganzen windigen Rückweg bis nach Naglimunds düsteren Mauern lautlos vor sich hinweinte.

41
Kaltes Feuer und störrischer Stein

    angsam wich der Traum, löste sich auf wie Nebel, ein schrecklicher Traum, in dem ein grünes Meer ihn umwogte und erstickte. Es gab weder Oben noch Unten, nur unbestimmtes Licht ringsum, dazu ein Heer schneidend scharfer Schatten, Haie, alle mit Pryrates’ leblosen schwarzen Augen.
    Als die See von ihm abglitt, brach Deornoth durch die Oberfläche des Traums, ruderte mit wild fuchtelnden Armen aus dem Schlaf in trübes Halbwachsein. Kaltes Mondlicht lag fleckig auf den Wänden der Kaserne, und der regelmäßige Atem der anderen Männer war wie Wind, der durch trockene Blätter strich.
    Noch während das Herz in seiner Brust hastig flatterte, fühlte er, wie von neuem der Schlaf nach ihm griff, ihn mit federleichten Fingern besänftigte und leise in sein Ohr flüsterte. Nach und nach glitt er wieder hinab, der Sog des Traumes jetzt sachter als vorher. Diesmal trug es ihn an einen helleren Ort, eine Stätte morgendlicher Feuchte und milder Mittagssonne: das Landgut seines Vaters in Hewenshire, wo er mit seinen Schwestern und dem älteren Bruder bei der Feldarbeit aufgewachsen war. Ein Teil von ihm lag noch in der Kaserne – es war vor Morgengrauen, am neunten Tag des Yuven, das wusste er –, aber ein anderer Teil war zurückgereist in die Vergangenheit. Wieder roch er den Duft frisch aufgeworfener Erde und hörte das geduldige Knarren des Pfluggeschirrs und das Quietschen der Wagenräder im Takt, als der Ochse den Karren die Straße zum Markt entlangzog.
    Das Knarren nahm an Lautstärke zu, während der beißende, lehmige Geruch der Furchen schwächer wurde. Der Pflug kam näher; es klang, als sei der Wagen direkt hinter ihm. Schliefen dieOchsentreiber? Hatte jemand die Ochsen unbeaufsichtigt die Felder zerstampfen lassen? Er empfand ein kindisches Entsetzen.
    Der Alte wird stocksauer sein – war ich das etwa? Hätte ich auf sie aufpassen sollen? Er wusste, wie sein Vater reagieren würde, er kannte das verkniffene, vor Wut fleckige Gesicht, das keine Entschuldigung akzeptierte, das Gesicht Gottes, so hatte der junge Deornoth stets gedacht, der einen Sünder zur Hölle schickt. Mutter Elysia, mit dem Riemen wird er mich schlagen, ganz bestimmt …
    Keuchend fuhr er vom Strohsack auf. Sein Herz hämmerte so wild wie nach dem Traum von den Haien. Als Deornoth sich in der Kaserne umblickte, beruhigte es sich nach und nach.
    Wie lange bist du schon tot, Vater? , fragte er sich selber und wischte sich mit dem Handgelenk den schnell erkaltenden Schweiß von der Stirn. Warum verfolgst du mich immer noch? Haben dich die Jahre und Gebete nicht …?
    Jäh fühlte Deornoth die Furcht mit kaltem Finger über sein Rückgrat streichen. Er war jetzt doch wach, oder etwa nicht? Warum war dann das erbarmungslose Knarren nicht mit seinen Träumen verschwunden? Sofort war er auf den Beinen, laut schreiend, der Geist des toten Vaters ausgelöscht wie eine Kerze.
    »Auf, Männer, auf! Zu den Waffen! Die Belagerung hat begonnen!«
    Im Laufen streifte er das Panzerhemd über, vorbei an einer Reihe von Feldbetten, trat die Benommenen und Weinwirren wach, rief denen, die sein erster Aufschrei blitzartig zum Leben erweckt hatte, Befehle zu. Vom Torhaus über ihnen kamen Alarmrufe und das rauhe Blöken einer Trompete.
    Den Helm schief auf dem Kopf, trabte er zur Tür hinaus. Er kämpfte mit seinem Schwertgurt; der Schild schlug ihm gegen die Flanke.

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