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Der Drachenbeinthron

Der Drachenbeinthron

Titel: Der Drachenbeinthron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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etwas ausgedacht haben, um uns Stärke zu verleihen oder die des Königs zu mindern. Bei Gottes Wahrheit, Deornoth, schau dir diese Massen an!« Er deutete auf die dunklen Schwärme der königlichen Truppen, zahlreich wie Ameisen hinter den langsam weiterrollenden Türmen. »Es sind so verdammt viele.«
    »Bei Ädons Wunden!«, fauchte Einskaldir und sah sich mit blutunterlaufenen Augen nach Isorn um. »Mögen sie kommen! Wir werden sie fressen und wieder ausspucken!«
    »Da hast du es«, meinte Deornoth und hoffte, dass sein Gesicht auch wirklich das beabsichtigte Lächeln zeigte. »Mit Gott, dem Prinzen und Einskaldir auf unserer Seite – wovor sollten wir uns fürchten?«
    Das Heer des Königs folgte den Belagerungsmaschinen auf die Ebene hinaus und breitete sich auf den nebelnassen Wiesen aus wie Fliegen auf einer grünen Apfelschale. Überall schienen Zelte aus der feuchten Erde zu sprießen wie eckige Pilze.
    Während die Belagerer ihre Stellungen einnahmen, kam lautlos das Morgengrauen. Die verborgene Sonne schälte nur eine einzige Schicht von der nächtlichen Dunkelheit ab und tauchte die Welt in unbestimmtes graues Licht.
    Auf einmal setzten sich die riesigen Belagerungstürme, die eine lange Stunde an Ort und Stelle verharrt hatten wie dösende Posten, wieder in Bewegung. Soldaten liefen zwischen den mächtigen Rädern hin und her und spannten die Zugseile, während die schweren Maschinen mühsam bergan rollten. Endlich kamen sie in Schussweite. Die Bogenschützen auf den Wällen gaben ihre Schüsse ab und schrien auf, als die Pfeile davonzischten, so als lockerten sich mit den Bogensehnen auch die Fesseln um ihre Herzen. Nach der ersten unsicheren Salve stellten sie sich allmählich auf ihr Schussfeld ein; zahlreiche Männer des Königs sanken tot zusammen oder wurden, während sie verwundet am Boden lagen, schreiend von den erbarmungslosen Rädern der eigenen Maschinen zerquetscht. Doch für jeden von den Pfeilen durchbohrten Gefallenen sprang ein anderer vor, um sein Tau zu übernehmen. Ungerührt holperten die Belagerungsmaschinen weiter auf die Mauern zu.
    Jetzt waren auch die Fußtruppen des Königs so weit herangekommen, dass die Bogenschützen von unten das Feuer erwidern konnten. Wie gereizte Bienen sausten die Pfeile zwischen den Mauern und der Erde darunter hin und her. Klappernd und knarrend näherten sich die Maschinen der Vormauer. Für einen kurzenAugenblick brach die Sonne durch; schon waren die Brüstungen hier und da rotgesprenkelt wie von einem sanften Regen.
    »Deornoth!« Das weiße, schmutzstreifige Gesicht des Soldaten leuchtete unter dem Helm hervor wie ein Vollmond. »Grimsted bittet Euch, sofort zu ihm zu kommen! Sie haben unter dem Dendinis-Turm Leitern an die Mauer gestellt!«
    »Gottes Baum !« Deornoth biss in ohnmächtiger Wut die Zähne zusammen und drehte sich zu Isorn um. Der Rimmersmann hatte einem verwundeten Wächter den Bogen abgenommen und half, die letzten paar Ellen Grund zwischen dem ersten Belagerungsturm und der Mauer frei zu halten, indem er auf jeden Soldaten schoss, der töricht genug war, die schützende Verkleidung des zum Stehen gebrachten Turmes zu verlassen, um eines der losen Zugtaue zu ergreifen, die im Wind flatterten.
    »Isorn!«, schrie Deornoth. »Während wir hier die Türme abwehren, bringen sie Leitern an die Südwestmauer!«
    »Dann geh dorthin!« Isgrimnurs Sohn sah nicht von seiner Pfeilspitze auf. »Ich komme nach, sobald ich kann.«
    »Wo steckt Einskaldir?« Aus dem Augenwinkel sah er, wie der Bote ungeduldig und ängstlich von einem Fuß auf den anderen trat.
    »Gott weiß es!«
    Wieder stieß Deornoth einen unterdrückten Fluch aus, duckte sich und rannte ungeschickt hinter Grimsteds Boten her. Unterwegs sammelte er ein halbes Dutzend Wachen um sich, müde Männer, die sich für einen Augenblick im Schutz der Zinnen niedergelassen hatten, um zu verschnaufen. Als er sie rief, schüttelten sie bedauernd den Kopf, setzten jedoch die Helme wieder auf und folgten ihm. Deornoth genoss großes Ansehen; viele nannten ihn die rechte Hand des Prinzen.
    Aber Josua hatte wenig Glück mit seiner ersten Rechten, dachte Deornoth unfroh, während er mit eingezogenem Kopf über den Wehrgang eilte. Trotz der kalten grauen Luft schwitzte er. Ich hoffe, diese hier bleibt ihm länger erhalten. Wo steckt der Prinz überhaupt? Gerade jetzt sollte er sich sehen lassen …
    Als er um die gewaltige Masse des Dendinis-Turmes bog, bemerkte er zu seinem Entsetzen,

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