Der Drachenbeinthron
dessen Anwesenheit Josua bestanden hatte – ein gewisser Ostrael –, wirkte, als würde er vor lauter Angst gleich ohnmächtig werden. Seine derben, kantigen Züge, deren Röte durch die sonnenlosen Frühjahrswochen inzwischen verblasst war, zeigten einen Ausdruck krampfhaften, nur mühsam unterdrückten Entsetzens.
Ädon steh uns bei, wenn wir uns auf ihn verlassen müssen. Warum in aller Welt hat Josua ihn ausgesucht?
Während sie sich langsam dem Zelt näherten, teilte sich die Zeltklappe. Deornoth straffte sich, den Bogen griffbereit. Nur ein Augenblick blieb ihm, sich selber zu verfluchen, weil er zugelassen hatte, dass sein Prinz eine so ungeheure Dummheit machte. Aber der heraustretende Soldat blickte sie nur gleichgültig an und trat dann neben den Eingang, um ihnen den Weg frei zu halten.
Deornoth gab Josua ein respektvolles Zeichen zu warten und spornte sein Pferd rasch einmal um das grüne Zelt herum. Es war groß, ein Dutzend Schritte oder mehr nach allen Seiten, und die straffen Haltetaue pfiffen im Wind; das zertretene Gras ringsum war frei von jedem Hinterhalt.
»So, Ostrael«, sagte er, als er wiederkam. »Du bleibst hier stehen, neben diesem Mann«, er deutete auf den anderen Soldaten, »und zwar so, dass man ständig wenigstens eine deiner Schultern in der Tür sieht, verstanden?«
Deornoth nahm das matte Lächeln des jungen Spießkämpfers alsBestätigung und wandte sich dem Wachsoldaten des Königs zu. Das bärtige Gesicht des Mannes kam ihm bekannt vor; bestimmt hatte er ihn schon auf dem Hochhorst gesehen. »Wenn auch du dich so neben die Tür stellen würdest, wäre es für alle Beteiligten besser.«
Der Wächter verzog unwillig den Mund, trat jedoch einen Schritt näher an den Eingang heran. Josua war bereits abgestiegen und näherte sich der Tür. Deornoth beeilte sich, ihm zuvorzukommen, und trat ein, die eine Hand locker am Schwertgriff.
»So viel Vorsicht ist kaum vonnöten, Deornoth«, bemerkte eine leise, aber durchdringende Stimme. »So heißt Ihr doch, oder? Schließlich sind wir hier alle Ehrenmänner.«
Deornoth blinzelte. Josua war ihm gefolgt. Innen war es schneidend kalt und finster. Die Wände gaben ein schwaches Licht von sich, ließen jedoch nur einen Bruchteil der Helligkeit von außen herein, als schwömmen die Insassen des Zeltes in einem gewaltigen, wenn auch unvollkommen geschliffenen Smaragd.
Vor ihm schwebte ein bleiches Gesicht, hinter den schwarzen Augen lauerte das reine Nichts. Im grünen Dämmerlicht erschien Pryrates’ Scharlachgewand rostrot, von der Farbe getrockneten Blutes. »Und Josua!«, sagte er im Tonfall schrecklicher Beiläufigkeit. »So sehen wir uns wieder. Wer hätte gedacht, dass sich nach unserem letzten Gespräch so vieles ereignen würde?«
»Haltet den Mund, Priester – oder was immer Ihr seid«, fuhr der Prinz ihn an. In seinen Worten lag so viel kalte Stärke, dass selbst Pryrates vor Erstaunen blinzelte wie eine aufgeschreckte Eidechse. »Wo ist mein Bruder?«
»Ich bin hier, Josua«, sagte eine Stimme, ein tiefes, zerbrochenes Flüstern, das wie ein Echo des Windes klang.
In einem hochlehnigen Stuhl in der Zeltecke saß jemand an einem niedrigen Tisch, vor dem ein zweiter Stuhl stand; die einzigen Möbelstücke in dem riesigen, schattendunklen Zelt. Josua trat näher. Deornoth schlug den Mantel enger um sich und folgte, mehr, um nicht bei Pryrates stehen bleiben zu müssen, als weil er es eilig gehabt hätte, den König zu sehen.
Der Prinz nahm auf dem Stuhl gegenüber seinem Bruder Platz. Elias saß seltsam steif da, die Augen im Falkengesicht hell wieEdelsteine, das schwarze Haar und die blasse Stirn unter dem Ring der eisernen Hochhorstkrone. Zwischen seinen Beinen stand aufrecht ein Schwert in schwarzer Lederscheide. Die starken Hände des Hochkönigs ruhten auf dem Knauf über dem fremdartigen Doppelgriff. Obwohl er es einen Moment lang anstarrte, weigerte sich Deornoths Blick, auf dem Schwert zu verweilen; ein flaues Gefühl von Übelkeit überkam ihn, als schaue er aus großer Höhe nach unten. Stattdessen sah er wieder den König an, aber das war kaum besser; in der tödlichen Kälte des Zeltes, in dem die Luft so eisig war, dass Deornoth sein Atem als Nebel vor den Augen stand, trug Elias nur ein ärmelloses Wams, und seine weißen Arme, in denen unter der Haut die Sehnen zuckten, als führten sie ein Eigenleben, waren bis auf die schweren Armbänder nackt.
»So, Bruder«, sagte der König und fletschte die Zähne zu
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