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Der Drachenbeinthron

Der Drachenbeinthron

Titel: Der Drachenbeinthron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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Mondlicht tauchte ihre verschlungenen Glieder in Silber.

    Josua ließ seinen Löffel in die Suppenschale zurücksinken und beobachtete zornig die kleinen Strudel auf der Oberfläche. Der Speisesaal summte vom Lärm vieler Stimmen.
    »Ich kann nicht essen. Ich muss es wissen!«
    Vara, die schweigend, aber mit ihrem gewöhnlichen guten Appetit aß, warf ihm über den Tisch einen beunruhigten Blick zu.
    »Was immer auch geschieht, Prinz«, meinte Deornoth schüchtern, »Ihr braucht Eure Kraft.«
    »Ihr werdet sie brauchen, um zu Eurem Volk zu sprechen, Prinz Josua«, bemerkte Isorn, den Mund voll Brot. »Die Menschen sind aufgeregt und verunsichert. Der König ist abgezogen. Warum feiern wir kein Fest?«
    »Ihr wisst verdammt gut, warum nicht!«, fauchte Josua und hob die Hand an die schmerzende Schläfe. »Ihr müsst doch sehen, dass es eine Falle ist – dass Elias niemals so leicht aufgeben würde!«
    »Wenn Ihr meint«, antwortete Isorn, schien jedoch nicht recht überzeugt zu sein. »Das heißt aber nicht, dass die Leute, die in derinneren Burg eingepfercht sind wie Vieh«, er deutete mit der großen Hand auf die Menschenmenge, die sich von allen Seiten um die Tafel des Prinzen drängte – die meisten saßen auf dem Boden oder an den Wänden des Speisesaales, weil es an Stühlen fehlte –, »dass sie es verstehen werden. Glaubt es einem Mann, der einen Höllenwinter eingeschneit in Elvritshalla verbracht hat.« Isorn biss ein weiteres großes Stück von seinem Brotkanten ab.
    Josua seufzte und wandte sich Jarnauga zu. Der alte Mann, dessen Schlangentätowierungen im Lampenlicht fast lebendig wirkten, war in ein Gespräch mit Vater Strangyeard vertieft.
    »Jarnauga«, sagte der Prinz ruhig. »Du wolltest mit mir über einen Traum sprechen, den du gehabt hast.«
    Der alte Rimmersmann entschuldigte sich bei dem Priester.
    »Ja, Josua«, antwortete er dann und beugte sich nahe zu ihm, »aber vielleicht sollten wir warten, bis wir unter vier Augen reden können.« Um ihn herum lärmte es im Speisesaal. »Andererseits könnte uns hier kein Mensch belauschen – und wenn er unter Eurem Stuhl säße.« Er zeigte ein frostiges Lächeln. »Ich habe wieder Träume gehabt«, fuhr er fort, und seine Augen unter den dichten Brauen glänzten hell wie Edelsteine. »Ich besitze nicht die Macht, sie zu rufen, aber manchmal kommen sie von allein. Mit den Männern, die wir zum Urmsheim geschickt haben, ist etwas passiert.«
    »Etwas?« Josuas Gesicht war düster und schlaff.
    »Ich habe nur geträumt«, versetzte Jarnauga abwehrend, »aber ich fühlte, das etwas zerriss – Schmerz und Entsetzen und den jungen Simon, der rief … voller Furcht und Zorn rief er … und dann noch etwas anderes …«
    »Könnte das, was ihnen widerfahren ist, die Ursache des Sturmes sein, den du heute Morgen gesehen hast?«, fragte der Prinz mit bleischwerer Stimme, als höre er die schlechte Nachricht, auf die er schon lange wartete.
    »Ich glaube nicht. Urmsheim liegt in einer Bergkette weiter östlich, hinter dem Drorshullsee und jenseits der Öden.«
    »Sind sie noch am Leben?«
    »Das kann ich nicht wissen. Es war ein Traum, nur ein kurzer und wunderlicher Traum.«Später wanderten die beiden stumm über die hohen Burgmauern. Der Wind hatte die Wolken vertrieben, und der Mond verwandelte die verlassene Stadt unter ihnen in Knochen und Pergament.
    Josua starrte in den schwarzen Nordhimmel und stieß dampfend den Atem aus. »Damit ist auch unsere schwache Hoffnung auf Dorn dahin.«
    »Das habe ich nicht gesagt.«
    »Das war auch nicht nötig. Und ich nehme an, du und Strangyeard seid auch nicht näher daran, herauszufinden, was aus Fingils Schwert Minneyar geworden ist?«
    »Leider nein.«
    »Was ist dann noch nötig, um unseren Untergang zu besiegeln? Gott hat uns einen grausamen Streich …« Josua brach ab, als der alte Mann ihn am Arm packte.
    »Prinz«, sagte er und spähte mit schmalen Augen nach dem Horizont, »Ihr überzeugt mich davon, dass man niemals die Götter herausfordern soll, selbst wenn es nicht die eigenen sind.« Er klang erschüttert, zum ersten Mal wirklich alt.
    »Was meinst du?«
    »Ihr habt gefragt, was man uns noch antun könnte?« Der alte Mann schnaubte bitter und belustigt. »Seht Ihr die Sturmwolke, das schwarze Gewitter im Norden? Es kommt auf uns zu – und zwar sehr schnell.«
    Der junge Ostrael aus Runchester stand schlotternd auf der Vormauer und dachte über etwas nach, das sein Vater einmal gesagt hatte.
    »Es

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