Der Drachenbeinthron
du warst der Nächste an der Tür. Ich muss mit Strupp sprechen – dem Narren. Kennst du ihn?« Der Junge nickte und sah ihm gespannt ins Gesicht. Gut, dachte der Rimmersmann, wenigstens ist er nicht einfältig. »Man hat mir gesagt, dass er heute Nacht hier schläft, aber ich sehe ihn nicht. Wo ist er?«
»Ihr … Ihr seid …« Der Junge hatte Mühe, es herauszubringen.
»Ja, ich bin der Herzog von Elvritshalla – und jetzt fang nicht an, dich zu verbeugen und mich mit Titeln zu belästigen. Sag mir nur, wo der Narr ist, und ich lasse dich weiterschlafen.«
Ohne ein weiteres Wort rutschte der Junge vom Strohsack, stand auf, zog die Decke herunter und warf sie sich um die Schultern. Darunter schaute der Saum seines Hemdes hervor und schlotterte um die nackten Beine, als er über die ringsum schlafenden Männer hinwegstieg, von denen einige, in ihre Mäntel gehüllt, mitten auf dem Boden lagen, als hätten sie es nicht mehr ganz ins Bett geschafft. Isgrimnur ging mit der Lampe hinterher und stapfte vorsichtig über die dunklen Gestalten, als folgte er einer von Uduns Geisterjungfrauen durch ein Schlachtfeld voller Erschlagener.
Auf diese Art durchquerten sie zwei weitere Räume, der großeGeist und der kleine, der größere trotz all seinen Umfangs genauso lautlos. Im letzten Zimmer funkelten noch ein paar trübe Kohlen im Kamin.
Auf den Ziegeln vor dem Rost, zusammengerollt in einem Nest aus Mänteln, einen Weinschlauch aus Schafleder noch fest in der hornigen alten Faust, lag schnarchend und vor sich hinmurmelnd Strupp der Narr.
»Aha«, knurrte Isgrimnur. »Nun, dann vielen Dank, Junge. Geh mit meinen Entschuldigungen zurück ins Bett – auch wenn ich glaube, dass du etwas geträumt hast, aus dem man nur allzu gern aufwacht. Also los.«
Simon drehte sich um und bewegte sich an Isgrimnur vorbei zur Tür. Als er neben ihm war, stellte der Herzog mit leichtem Erstaunen fest, dass der Jüngling beinahe genauso groß war wie er – und Isgrimnur war kein kleiner Mann. Es waren die Schlankheit des Jungen und die Art, wie er den Rücken krümmte, die seine Größe nicht zur Geltung kommen ließen.
Schade, dass ihm niemand beigebracht hat, sich gerade zu halten, dachte er. Und wahrscheinlich wird er es in der Küche, oder wo er sonst steckt, auch nie lernen.
Als der Junge verschwunden war, bückte sich Isgrimnur und schüttelte Strupp – zuerst sanft, dann immer kräftiger, da ihm klar wurde, dass der kleine Mann sturzbetrunken war; doch selbst das stärkste Rütteln erbrachte weiter nichts als schwache Protestlaute. Endlich verlor Isgrimnur die Geduld. Er griff nach unten, packte mit jeder Hand einen Fußknöchel des Älteren und hielt sie in die Luft, bis Strupp kopfüber baumelte und nur der Scheitel seines kahlen Kopfes noch den Boden berührte. Strupps Brummen verwandelte sich in ein gequältes Gurgeln und schließlich in gute, verständliche Westerlingworte.
»Was …? … Runter … lass mich … runter! Ädon verdamm dich …«
»Wenn du nicht bald aufwachst, alter Säufer, werde ich deinen Kopf auf den Fußboden hämmern, bis du in alle Ewigkeiten glaubst, dass Wein Gift ist!« Isgrimnur ließ den Worten die Tat folgen, indem er die Knöchel des Narren noch ein paar Handbreit höher hob unddann den Kopf des Alten nicht allzu sanft auf den kalten Stein zurücksinken ließ.
»Lass ab! Dämon … ich ergebe mich! Dreh mich um, Mann, dreh mich um – ich bin doch nicht Usires, dass ich hier mit dem Kopf nach unten hänge … zur Belehrung der … Massen!«
Isgrimnur ließ ihn vorsichtig hinunter, bis Strupp der Länge nach auf dem Rücken lag.
»Besoffen sein reicht, du brauchst nicht auch noch zu lästern, alter Narr«, grollte Isgrimnur und schaute zu, wie Strupp sich mühsam auf den Bauch rollte. Dabei übersah er einen schlanken Schatten, der sich hinter ihm in eine Türöffnung stahl.
»O gnadenreicher Ädon«, stöhnte Strupp und richtete sich zu sitzender Stellung auf. »Musstet Ihr meinen Kopf als Grabstock benutzen? Falls es ein Brunnen ist, den Ihr aufscharren wolltet, so hätte ich Euch sagen können, dass der Boden hier in den Dienstbotenquartieren zu steinig ist.«
»Genug, Strupp. Ich habe dich nicht zwei Stunden vor Sonnenaufgang geweckt, um Witze auszutauschen. Josua ist fort.«
Strupp rieb sich den Scheitel und tastete mit der anderen Hand blind nach seinem Weinschlauch. »Fort wohin, Isgrimnur? Um Himmels willen, Mann, habt Ihr mir den Schädel gebrochen, weil Josua Euch
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