Der Drachenflüsterer - Der Drachenflüsterer
Ben wollte nicht mehr in der Nähe sein, falls der nun doch auf die richtige Idee kam. Langsam und geräuschlos glitt er ins kalte Wasser und schwamm auf demselben Weg zurück, den er gekommen war. Zurück in sein neues Zuhause.
Sidhy würde eben an einem anderen Tag seine Abreibung bekommen.
VERBOTENE TIEFEN
I n den nächsten drei Tagen richtete sich Ben in seiner Höhle ein. Er zimmerte sich ein ordentliches Gatter für den Eingang, damit er nicht ständig den Ast hin und her schleifen musste, und er zeichnete mit Kohle wieder einen großen Drachen an die Wand. Aus dem dicken Ende eines umgestürzten Baumstamms hackte er sich einen kleinen Tisch heraus sowie zwei einfache Klötze, die ihm und Yanko als Hocker dienen konnten. Außer Yanko wusste niemand, wo Ben jetzt wohnte. Jeden Nachmittag ging er in den Wald und übte das Abhacken von Drachenflügeln an Bäumen. Er würde Drachenritter werden!
Mit der Drachenschuppe hatte er sich seine beiden Warzen aus der Haut gekratzt, mit aller Sorgfalt hatte er sie weggeschabt. Dann hatte er die Schuppe zu einem Pulver zerstampft und auf die offene Wunde gestreut, alles verbunden. Der Daumen hatte furchtbar geeitert, doch die Warzen waren nicht zurückgekehrt.
Yanko hatte also recht behalten, Drachenschuppen waren ungeheuer mächtig. Und zudem hatte Ben mit seinem nächtlichen Besuch bei Feuerschuppe ja das Glück wieder herbeigezwungen. In sein Haus in der Stadt durfte er dennoch nicht zurückkehren.
Es schien, als würden demnächst tatsächlich Arbeiter nach Trollfurt kommen: Yirkhenbarg ließ einige der Häuser am linken Dherrnufer herrichten, die Dächer neu decken und eingeschmissene Fester neu verglasen. Es waren vornehmlich die
größeren Gebäude, die nahe der Brücke standen. Yirkhenbarg trieb die Handwerker zur Eile an, seine Arbeiter würden wohl bald eintreffen. Dabei bezahlte Yirkhenbarg pünktlich jeden Abend und großzügig, so dass sein Ansehen schnell wuchs.
Als Ben jedoch mit Byasso auf der großen Dherrnbrücke saß, ohne Yanko und ohne einander zu beschimpfen, die Beine baumeln ließ, den Handwerkern bei ihrer Arbeit zusah und dabei auch ein paar wehmütige Blick zu seinem alten Haus sandte, sagte Byasso plötzlich: »Ich weiß nicht, was dieser Yirkhenbarg hier überhaupt verloren hat. Vater fragt sich das auch.«
»Ich dachte, dein Vater wusste als Erster vom Kauf der Blausilbermine und auch von Yirkhenbarg?«, entgegnete Ben.
»Das schon. Aber er wusste ja nicht, dass dieser Kerl hier so auftreten würde, so hochnäsig, so anmaßend. Dass er sich nicht einfach einfügen würde, sondern mit einem Drachen einmarschieren, als wäre er der Größte. Wie ein König! Als wäre er hier der Bürgermeister und nicht nur einer von vielen Geschäftsleuten am Ort.«
Daher also weht der Wind , dachte Ben. Byassos Vater, der Bürgermeister, sah seine Macht bedroht. Laut sagte er: »Immer wenn ich deinen Vater mit Yirkhenbarg sehe, lächelt er und klopft ihm auf die Schulter.«
»Ja, was soll er denn sonst machen? Yirkhenbarg genießt hohes Ansehen, seine Arbeiter werden bald kommen, dann ändert sich hier einiges, wenn wir nicht aufpassen. Einiges!« Byasso sah Ben wissend an.
»Und um das zu verhindern, lacht dein Vater täglich über Yirkhenbargs Scherze und klopft ihm auf die Schulter?«
»Ja, das macht man so«, sagte Byasso. »Das ist Politik, davon verstehst du nichts.«
Und Byasso war nicht der Einzige, der langsam seine Einstellung zu den Neuankömmlingen änderte. Noch gab Sidhy unter den Jungen den Ton an, und noch suchten viele Mädchen Nicas Freundschaft, viele Jungen ihre Nähe. Ihr kleiner Bruder Lenyoni mit der ständig schmollenden Unterlippe dominierte auch noch die jüngeren Kinder. Doch die drei hielten nicht mehr alle in ihrem Bann wie noch während der ersten Tage, als sie neu im Ort gewesen waren und den Drachen in die Stadt gebracht hatten.
Seit Bens Rauswurf war Yanko aus Freundschaft zu ihm nicht mehr gut auf Sidhy zu sprechen und nannte ihn einen feigen und verwöhnten Möchtegern-Tyrannen. Yanko verabscheute jeden, der sich so aufspielte. Ben mochte das, auch wenn er vermutete, dass Yanko es auch deshalb tat, weil er immer selbst gern die Kommandos an die Jungen in seinem Alter gab.
Der Müller-Taque hatte als einer der Ersten eine Abfuhr von Nica erhalten und war inzwischen der Meinung, Schönheit allein sei nicht alles, und die ganze Familie Yirkhenbarg sei sowieso hochnäsig und überheblich und hielte sich für etwas
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