Der Drachenflüsterer - Der Drachenflüsterer
drückte sich ganz zum Grund hinab, und
der Fluss spülte ihn unter dem Gitter hindurch. Da verhedderte sich sein weites Hemd am Ende einer Stange. Panisch griff Ben hinter sich, doch er bekam den Haken nicht zu fassen. Er wollte nicht ertrinken! In diesem Moment huschte eine handgroße Wasserfee mit Regenbogenflossen vor seinem Gesicht vorbei, und mit letzter Hoffnung dachte er: Ich will hier weg!
Denn wenn man eine Wasserfee sah, durfte man sich etwas wünschen, fischte man sie dagegen aus dem Dherrn, brachte dies sieben Jahre Pech. Deshalb angelte Ben auch lieber am Fonksee, wo es keine Wasserfeen gab.
Kaum hatte er seinen Wunsch zu Ende gedacht, konnte er sich wieder losreißen. Dabei schürfte er sich die Schulter und den Rücken auf, aber nicht tief; es blutete kaum.
Schnell, aber vorsichtig tauchte er in der Stadt an die Oberfläche. Tief atmete er durch und küsste mit zitternden Lippen Yankos Groschen. Zum ersten Mal seit Tagen hatte er wieder Glück gehabt.
Ein Stück weit schwamm er mit der Strömung, es war besser, nicht direkt an der Mauer aus dem Wasser zu steigen, falls irgendein Nachwächter doch einem Anfall von Pflichtbewusstsein erlegen war und das Würfelspiel verlassen hatte.
Ben wollte eben in der Nähe der Brücke ans Ufer klettern, da fiel ihm ein, dass das Anwesen des Minenbesitzers mit der Rückseite an einen Seitenarm des Dherrn grenzte. Von dort wäre es wahrscheinlich leichter, auf das Grundstück zu gelangen; sollte ein Bediensteter Wache schieben, dann sicher vorne am Tor.
Die Seitenarme des Dherrn waren eigentlich künstliche, schnurgerade verlaufende Kanäle, die Dagwarts Urenkel Medes angelegt hatte, um den vornehmen Häusern den Weg zum Brunnen und Fluss zu ersparen. Nur eine Spielerei und
nicht von so großer Bedeutung für die vornehmen Leute, die ja ohnehin nicht selbst zum Brunnen liefen, sondern ihre Mägde und Knechte schickten. Ben vermutete, dass Medes einfach von Wasser besessen gewesen war, denn auch die Wasseruhr hatte er errichten lassen, ebenso wie die Aquarien im Tempel der anderen Götter und die riesige Mühle hinter der Stadt, die von drei miteinander verbundenen Wasserrädern betrieben wurde und das Korn schneller zu mahlen vermochte, als jeder Müller es nachfüllen konnte.
Ben schwamm also weiter, unter der Brücke hindurch, über die eben zwei Betrunkene nach Hause torkelten - oder zumindest in die Richtung, in der sie ihr Zuhause vermuteten.
»Ich wusste gar nicht, dass wir so viele Brücken in Trollfurt haben«, lallte der eine.
»Das fällt dir bei Tag nur nicht auf, weil die alle gleich aussehen«, erwiderte der andere.
Eigentlich war es nur eine große Brücke, dachte Ben, dazu drei schmale Stege aus Holz und die kleinen Stege über die Kanäle. Grinsend bog er nach rechts in den ersten Kanal, der hinter den Häusern der Hauptstraße entlanglief. Es war still hier, das Wasser ruhig, es floss langsam und ohne große Wellenbewegungen dahin. Manchmal erklang ein Platschen, wenn eine Flussechse oder eine Wasserratte auf- oder untertauchte. Aus einem geöffneten Fenster drang lautes Schnarchen und leises Motzen, das Ben jedoch bald hinter sich ließ.
Schließlich hörte er ein tiefes Schnauben, dessen Ursprung in der Nacht vor ihm lag. Es war leise, und doch spürte er es im ganzen Körper, wie ein leichtes Vibrieren.
Feuerschuppe.
Er erreichte die rückseitige Mauer um Yirkhenbargs Anwesen. Ein vielleicht zwei Fuß schmales Rinnsal zweigte vom
Kanal ab und strömte durch ein massives Gitter in der Mauer; hier kam er sicher nicht hindurch. Eine Hintertür, wie in vielen anderen Anwesen, fand sich auch nicht. Ben stieg auf den schmalen, von Gras und Unkraut überwucherten Uferstreifen zwischen Kanal und Mauer. Der sanfte Nachtwind ließ ihn frösteln. Leise schlüpfte er aus dem Hemd, wrang es aus und stopfte es in den Hosenbund, die Tropfen auf seiner Haut wischte er fort, so gut es ging. Die Hose behielt er an, er presste nur schnell so viel Wasser wie möglich heraus.
Der vergitterte Durchlass in der Mauer wurde von einem Rundbogen verziert. Der Bogen war nicht besonders breit und in der Mitte nicht einmal hüfthoch, doch vielleicht reichte es aus. Ben setzte die linken Zehenspitzen darauf und drückte sich mit dem rechten Fuß vom Boden ab. Sofort reckte er die Arme nach oben, und tatsächlich konnte er mit den ausgestreckten Händen an die Mauerkante greifen.
Ben war ein guter Kletterer, oft genug war er in den Bergen gewesen und auf
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