Der Drachenflüsterer - Der Drachenflüsterer
befestigt war und das Netz so spannte.
In ihm hingen weitere tote Fische, die sich in den Maschen verfangen hatten. Diese rot-orangenen, aber auch ein flacher, halbmondförmiger Bursche, der freundlich gelb-blau gestreift und so groß wie Ben war. Sein missmutiges Maul stand offen und zeigte mehrere Reihen spitzer, ganz und gar nicht freundlicher Zähne.
Das also schwimmt im Sippa herum , dachte Ben, während Aiphyron ihn unter dem Netz durchzog, und er beschloss, seine Beine fortan nicht mehr ganz so achtlos ins Wasser baumeln zu lassen.
Ben hatte das Gefühl, die Blicke der toten Fische würden ihm folgen. Er fragte sich unvermittelt, weshalb er in diesem Sommer ständig unter irgendeinem Hindernis hindurchtauchen musste. Und warum Aiphyron so lange unter Wasser blieb und nicht an die Oberfläche zurückkehrte. Allmählich wurde ihm die Luft knapp, und er schlug dem Drachen auf den Rücken, der verstand und auftauchte. Die Baumstämme und Holzfäller lagen gut dreißig Schritte hinter ihnen. Ben sah, wie sie die Köpfe schüttelten, nur der große Fette lachte. Ben winkte ihnen zu und hustete Wasser. Sie winkten nicht zurück, doch sie zogen auch nicht ihre Schwerter. Also waren
sie nicht hinter ihnen her. Erleichtert wischte sich Ben das Wasser aus dem Haar.
»Ich hätte wirklich nicht gedacht, dass das Netz nicht bis zum Grund reicht«, sagte Aiphyron schnaufend.
»Und du bist trotzdem getaucht?«
»Ich dachte, zur Not zerreiß ich es.«
»Ja, es ist immer gut, einen wohldurchdachten Ersatzplan zu haben«, lachte Ben. Dann atmete er tief durch. Es war echt knapp gewesen, sie hatten noch mal Glück gehabt. Er strich über den heilenden Flügelansatz und berührte dann Yankos Glücksgroschen, den er noch immer um den Hals trug. Egal, wer von beiden ihnen hier durchgeholfen hatte, er war ihm zutiefst dankbar.
VERRAT
S eit Yanko auf der Karte die Todesklippe im Sippa entdeckt hatte, träumte er jede Nacht davon, immer in Variationen. Dabei stürzte Ben jedes Mal den Wasserfall hinab und zerschellte viele, viele Schritt tiefer auf einem Felsen. Mal stürzte er schwimmend über die Kante, mal auf einem alten Türblatt, das er als Floß benutzt hatte, und mal sogar auf einem großen goldenen Fisch mit Sattel und Zaumzeug, der Ben getragen hatte, im Sturz jedoch hilflos mit seinen kleinen Flossen schlug und rief: »Ach, hätt ich nur zwei Flügelein.«
Yanko stand stets am Fuß des gigantischen Wasserfalls, hörte den Schrei seines Freundes über das Tosen des Wassers hinweg und sah ihn auf dem kantigen grauen Felsen aufschlagen. Nie konnte er ihn auffangen, nie ihn retten, und immer starrten ihn Bens tote Augen danach an.
Am Morgen erwachte Yanko nun stets mit dem Gefühl, seinen Freund in den Tod geschickt zu haben. Gerade einmal drei Tage lag der Mord an Ritter Narfried nun zurück, doch es waren furchtbar lange Tage und die schlimmsten in Yankos bisherigem Leben gewesen.
In Trollfurt kamen immer mehr Menschen zu dem Schluss, dass Ben eigentlich viel zu klein und schmächtig war, um einen so erfahrenen Kämpen zu töten. Doch nur Yanko beharrte weiterhin darauf, dass dies dafür sprach, dass Ben es eben nicht getan hatte. Andere kamen zu dem Schluss, dass Ben also entweder Anführer einer ganzen Mörderbande sein musste, die sich in den Bergen versteckt hielt, oder dass er seine Seele
Samoth verschrieben und den Ritter mit dunkler Magie überlistet und ermordet hatte. Es ging das Gerücht, der Junge wäre nachts auf dem Friedhof gesehen worden, und er hätte tote Tiere mit sich herumgeschleppt.
»Das tun andere Jungs doch auch«, wandte manch Nüchterner in den Wirtshäusern ein.
»Ja, aber die Lauser spielen doch nur. Sind eben Rabauken. Aber Ben, das ist ein Mörder, da muss man aufpassen«, erwiderten die einen, und andere beharrten darauf, dass sich ihre Kinder nachts nicht auf dem Friedhof herumtrieben, sondern artig im Bett lagen.
So oder so, wer es vermochte, einen Drachenritter zu töten, sei es mit Hilfe von dunkler Zauberei oder mit Hilfe von Mordgesellen, der konnte natürlich jeden einfachen Bürger mit Leichtigkeit ins Jenseits befördern. Plötzlich ging in Trollfurt die Angst vor Ben um, zumal sich viele erinnerten, ihn irgendwann beschimpft oder schief angesehen zu haben, ihm also hinreichend Grund für Rachegelüste geliefert hatten. Bei Ritter Narfried hatte es schließlich auch nicht mehr gebraucht.
Kaum jemand trat mehr unbewaffnet auf die Straße, eine Frau, die sich bei der
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