Der Drachenflüsterer - Der Drachenflüsterer
Jungen aus Trollfurt verlieben und sich mit ihm im Geheimen treffen, um sich fern fremder Blicke und elterlicher Überwachung zu küssen und zu berühren. Warum sollte dieser Auserwählte nicht er selbst sein?
Er wäre Ben nicht in die Quere gekommen, wenn dieser weiterhin in oder bei Trollfurt wohnen würde, das tat man unter Freunden nicht, doch wenn er nicht zurückkehrte, war das etwas anderes.
»Und warum kehrt er nicht zurück?«, fragte er sich lautlos und starrte aus dem Fenster auf die weißen Berggipfel, während der Schulmeister einfache Rechenmethoden für die Jüngeren erklärte. »Weil du ihn den Sippa hinunter zur Todesklippe geschickt hast.« Das waren mehr als genug Schuldgefühle wegen Ben, zusätzliche konnte er sich nicht aufladen.
Während dort draußen die Männer nach Ben suchten, nahm sich Yanko vor, endlich mit der wirklichen Mördersuche zu beginnen. Er war wieder ein Teil der Gemeinschaft, so wie Nica es für wichtig erachtet hatte. Zudem nahm er sich vor, sich dabei in die Jungfrau Ivallya zu verlieben. Sie war schön und nur wenige Jahre älter als er, das würde schon gehen.
Dann müsste er nicht mehr den ganzen Schultag lang zu Nica hinüberstarren, und er täte Ben außerdem kein Unrecht. Das war ein guter Plan. Und er stand so lange felsenfest, bis Nica von ihrem Platz zu ihm herüberlinste und lächelte.
Als sich ihre Blicke das nächste Mal fanden, nickte er ihr auffordernd zu, und sie nickte wissend zurück. So zumindest empfand er es. Und tatsächlich hatte sie ihn verstanden, denn nach der Schule kam sie zu ihm und fragte, ob sie ihn nach Hause begleiten dürfe, sie wolle sich die Schmiedearbeiten seines Vaters ansehen, sie brauche nämlich ein Geburtstagsgeschenk für ihren eigenen.
»Sicher«, sagte Yanko möglichst gleichgültig, und sie versprach ihren Freundinnen, nachher noch auf ein Pläuschchen zum Marktplatz zu kommen, doch der Geburtstag ihres Vaters ginge leider vor. Dabei machte sie ein unglückliches Gesicht. »Er wird vierzig, da kann es kein kleines Geschenk sein. Das könnte also dauern, Väter sind ja schwierig zu beschenken.«
Ihre Freundinnen nickten.
»Letztes Jahr habe ich meinem kleinen Bruder einen Sack flacher Steine geschenkt, weil er die so gern springen lässt, aber er hat mich angemotzt, ich hätte überhaupt keine Ahnung. Nur mir sagen, was ich falsch gemacht hatte, wollte er nicht«, beschwerte sich eine.
Yanko sagte ihr nicht, dass es eben darauf ankam, den Stein selbst zu finden, den man springen ließ. Das Springen selbst war doch nur die halbe Sache. Murmelsteine hätte sie ihm dagegen schenken können, die konnte man beim Spiel ja auch gewinnen, da kam es nur darauf an, dass sie schön rund waren. Aber wenn er jetzt nicht den Mund hielt, würden sie ihn den ganzen Nachmittag ausfragen, und er käme nie allein mit Nica weg. Also wartete er, bis jedes der Mädchen ein verunglücktes
Geschenk beschrieben hatte und sich Nica endlich verabschieden konnte.
»Tut mir leid«, sagte sie schließlich, als sie als Letzte den Schulhof verließen.
»Das sollte es auch.« Er zwinkerte ihr zu, und nebeneinander gingen sie die Straße hinab. Ganz ohne Eile, und manchmal berührten sich ihre Schultern zufällig. Sie sprachen über alles Mögliche, bis sie die Schmiede betraten. Yankos Vater war heute wieder in den Bergen und suchte nach Ben. Wie fast jeder Handwerker arbeitete er inzwischen jeden zweiten Tag, an den anderen half er bei der Mördersuche.
»Ich denke, wir sollten heute zur Jungfrau Ivallya gehen«, erklärte Nica, als Yanko die Tür hinter ihnen geschlossen hatte. Seine Mutter war irgendwo im Wohnhaus, er war derjenige, der sich nach der Schule um die Schmiede kümmerte. Außer ihnen war niemand in der geräumigen Werkstatt, in der Esse glomm die nie verlöschende Glut von Faystos Feuer, die sein Vater vor vielen Jahren mit dem Segen des Feuergottes aus dem heiligen Vulkan Arknon geholt hatte, um auch Blausilber schmieden zu können. Die Luft über der Esse flimmerte und roch nach den schweren Harzen, die im Tempel der anderen Götter feiertags verbrannt wurden. Das Werkzeug hing aufgeräumt an der Wand, nur der Schmiedehammer stand neben dem Amboss auf dem Boden, und eine lange Zange lag herum.
»Ja, das sollten wir möglichst schnell tun«, stimmte Yanko zu. Hier mit Nica allein zu sein, machte ihn beklommen. Sie hatte sich auf einen Arbeitsschemel gesetzt und sah ihn mit diesen Augen an, die ihn zugleich unendlich glücklich machten
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