Der Drachenflüsterer - Der Drachenflüsterer
seine Gastfreundschaft betont, solange nehme ich sie gern in Anspruch.«
Sie wechselten noch ein paar Sätze, doch das Gespräch stockte schon bald. Ivallya wusste ihnen nicht zu helfen und bedauerte dies aufrichtig. Yanko schaffte es nicht, sich in sie zu verlieben, doch er verspürte kein Bedauern.
Sie verabschiedeten sich, und Yanko wollte noch mit Byasso sprechen, nur ganz kurz. Nica sagte, sie solle besser zu ihren Freundinnen, wenn sie nicht auffallen wolle, aber sie könnten sich ja später noch einmal treffen und das weitere Vorgehen beraten. Yanko nannte ihr ein kleines Haus auf der linken Dherrn-Seite, das nicht bewohnt war. Wie die meisten Häuser dort drüben. Noch waren nicht viele Minenarbeiter angekommen.
Yanko fand Byasso im Garten, wo er Gänse mit einer Schlinge an einem langen Seil einzufangen versuchte. Er erzählte,
dass er gerade ein wenig mit der Jungfrau Ivallya geplaudert habe, sie sei ja recht selten in der Stadt unterwegs.
»Sieht gut aus, die Frau, was?« Byasso nickte begeistert vor sich hin.
»Das tut sie. Und darum frage ich mich, wie lange sie noch hierbleibt. Weißt du das?«
Byasso sah sich um und ging dann einen Schritt auf Yanko zu. Ganz leise raunte er: »Die geht erst, wenn Ben geschnappt ist. Vorher lässt sie hier keiner weg.«
»Es lässt sie keiner weg?« Er hatte also richtig gehört, dass die Jungfrau das Wort Gastfreundschaft so gehässig betont hatte.
»Natürlich nicht. Wenn der Orden von dem Mord erfährt und wir haben noch keinen Mörder, sind sie sicher wenig erfreut. Das belastet die frischen Beziehungen schrecklich, sagt mein Vater. Sie werden irgendwelche Leute herschicken, die im Notfall auch einen Unschuldigen packen, wenn Ben nicht aufzufinden ist. Der Mord an einem Ritter darf nicht ungesühnt bleiben, das kann der Orden nicht zulassen, das ist wichtig für sein Ansehen. Vielleicht suchen sie sich dann einfach den Täter, der ihnen in den Kram passt, oder wollen meinen Vater oder den obersten Büttel abgesetzt sehen, um eine Ordensmarionette auf diesen Posten zu bringen. So eine einfache Mordgeschichte kann zu furchtbarer Politik werden. Es ist besser, die Jungfrau kehrt nicht zu früh zurück. Aber sag das bloß nicht weiter.«
»Für wen hältst du mich?«
»Für meinen Freund.«
»Na also.«
Yanko ließ sich zeigen, wie man mit der Schlinge Gänse fangen konnte, und sie jagten noch eine Weile das Federvieh
über den Hof. Dann verabschiedete er sich und schlenderte die Straße zum Dherrn hinunter und über die Brücke auf die andere Seite. Die ersten Häuser waren neu gestrichen, Fenster ausgewechselt, das linksdherrnige Viertel sah bewohnter aus als noch vor Wochen.
In Bens altem Haus wohnte niemand. Yanko sah sich um und warf dann rasch eine Scheibe ein. Das war für den nächsten Bewohner. »Verfluchter Dieb.«
Er lief zur Mauergasse, dort, wo die kleinen Häuser standen, für die sich kein neuer Arbeiter interessiert hatte. Diese würden für die Letzten bleiben, da war er sicher. Der Eingang des Häuschens, das er Nica genannt hatte, war zugewachsen und zeigte Richtung Stadtmauer. Niemand sah, wer hier ein und aus ging. Yanko huschte hinein. Seit er und Ben die Tür bei einem nächtlichen Streifzug aufgebrochen hatten, war sie nicht abgeschlossen.
Staub lag über den letzten Möbeln und auf dem Boden. Ein Herd, ein wackliger Tisch, zwei alte Stühle und ein morsches Bett, mehr hatten die Besitzer nicht zurückgelassen. Den hölzernen Badezuber hatten Ben und er damals entwendet und waren in ihm abwechselnd den Dherrn entlanggepaddelt, bis er auseinandergebrochen war. Yanko pustete den Staub von Tisch und Stühlen und wischte sie dann mit seinem Hemdsärmel ganz sauber. Nica sollte ihr schönes grünes Kleid nicht zu sehr beschmutzen. Das brächte ihr sicher daheim Ärger ein. Dann lief er auf und ab und sah jede Minute aus dem Fenster.
Es dauerte sicherlich eine Stunde, bis Nica schließlich kam, doch es kam ihm vor wie ein ganzes Jahr. Yanko hatte die Stühle so am Tisch platziert, dass genug Abstand zwischen ihnen
war. Sie sah sich um und sagte: »Furchtbar klein als Haus, doch als Versteck sehr gemütlich. Das Bett ist leider schrecklich staubig.«
»Das Bett?«
»Auf der Matratze sitzt es sich viel bequemer als auf den harten Stühlen. Meine Mutter sagt immer, gerade Stuhllehnen sind gut für einen geraden Rücken, aber ich glaube, man kann auch ohne Lehne aufrecht sitzen. Und wenn es nicht damenhaft ist, umso besser.« Sie
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