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Der Drachenflüsterer - Der Schwur der Geächteten

Titel: Der Drachenflüsterer - Der Schwur der Geächteten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Koch
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wurden Bens Schritte schneller, er passte sich der städtischen Hektik und Eile an.
    »Hey, Junge?«, rief ihm einer der Torwächter hinterher, als sich Ben mit einer Gruppe viehtreibender Bauern und staubbedeckter fahrender Händler in die Stadt schieben ließ. Obwohl es mehr fragend als befehlend geklungen hatte, tauchte Ben sofort in die nächste Gasse ab, den Kopf eingezogen, bereit loszurennen. Seine Jahre als Sündenbock in Trollfurt hatten ihm diesen Fluchtinstinkt eingeimpft.
    Mit einem raschen Blick über die Schulter erkannte er jedoch, dass ihm niemand folgte. Der dicke bärtige Wächter reckte zwar den Hals und schien jemanden in dem Gewühl der Straße zu suchen – ihn -, doch der andere, ein sehniger,
hochgewachsener Kerl mit Adlernase, winkte kopfschüttelnd ab und lachte ihn aus. Derweil redete auch noch ein aufgebrachter Bauer auf beide ein und schwenkte eine rot-blau gefiederte Gans, die wild mit den Flügeln schlug, vor ihren Augen hin und her.
    Dennoch eilte Ben weiter und bog kurz hintereinander zweimal ab, folgte den schmalen Straßen, die ihn am sicherlich überfüllten Marktplatz in der Stadtmitte vorbeiführten. Die Bauern trieben ihr Vieh auf der breiten Hauptstraße weiter, gefolgt von den Händlern, die ihre Waren noch im Laufen anpriesen.
    Ben musste auf die andere Seite von Falcenzca, und er wollte schnell zu Anula, schließlich wusste er nicht, wann sie eine kurze Arbeitspause einlegen durfte. Nach den Wochen im Wald strömten die zahlreichen Gerüche der Stadt umso intensiver auf ihn ein, der Duft von frischen Backwaren vermischte sich mit dem Kotgestank der Tiere, süßliches Parfüm der reichen Damen mit den Ausdünstungen des Rinnsteins. Ben atmete durch den Mund, um die Nase zu schonen, und schlängelte sich an in helle Farben gekleideten Bürgern vorbei, die vor Geschäften herumstanden, an knienden Bettlern mit eingefallenen Gesichtern und Knechten und Kindern auf Botengängen, die jeden Bekannten auf dem Weg freudig begrüßten, weil er eine Ablenkung von den Pflichten versprach. Hie und da schnappte er Gesprächsfetzen auf, mal ging es um den Markt und wichtige Einkäufe, dann wieder um geheime Liebschaften, die lachhaften Erlebnisse eines Trunkenbolds oder schreckliche Ketzer, die irgendwo auf dem Vormarsch waren.
    »Sie sind eine wahre Plage«, ereiferte sich ein untersetzter, unrasierter Knecht.

    »Möge Hellwah uns schützen«, murmelte eine gebeugte Frau im mittleren Alter.
    »Der Orden wird schon für Ordnung sorgen«, behauptete einer.
    »Als ob das wichtig wäre. Viel schlimmer ist doch, dass die Preise für Äpfel schon wieder gestiegen sind«, beschwerte sich ein anderer. So trug jeder seine Sorgen laut vor sich her.
    Als Ben an einem Gasthof vorbeikam, vor dem eine junge Frau mit leuchtend roten Haaren Amulette gegen Ketzerflüche verkaufte, rief jemand: »Hey! Das ist er doch!«
    »Wer?«
    »Na, er. Du weißt schon!«
    »Er? Unsinn. Der ist viel zu klein und allein.«
    »Aber die Hose! Sieh dir die Hose an!«
    »Die Hose... Du hast Recht.«
    Achtlos eilte Ben auch an diesem Gespräch vorbei. Langsam wurden die beiden Stimmen von anderen übertönt, versickerten zwischen all den weiteren Geräuschen, bis ein lauter Ruf an Bens Ohr drang: »Auf! Den Kerl schnappen wir uns!«
    Schwere Schritte schlugen plötzlich auf das Pflaster und näherten sich. Galt das ihm? Er hatte doch gar nichts getan. Hastig blickte er sich um.
    Drei Männer rannten auf ihn zu, der groben, aber gepflegten Kleidung nach Handwerksgesellen. Sie waren deutlich größer und kräftiger als Ben, und ihre Blicke galten eindeutig ihm, sie waren hinter ihm her. Einer hatte die Arme so weit nach vorn ausgestreckt, dass er beinahe das Gleichgewicht verlor. Doch nur beinahe – taumelnd und stolpernd stürzte er auf Ben zu, dicht gefolgt von seinem kahlköpfigen Kameraden, dessen Gesicht von einem gierigen Lächeln verzerrt
wurde. Es war ein Wunder, dass ihm kein Schaum aus dem Mund troff.
    Drei, vier Schritte hinter ihnen hechelte ein beleibter Mann mit einem dichten Backenbart her, der keuchend zwischen wulstigen Lippen hervorpresste: »Halt! Bleib stehen, Bursche!«
    Das war nun wirklich das Letzte, was Ben tun würde. Er wirbelte herum und rannte los, stieß einen kleinen, für den Markttag festlich herausgeputzten Jungen zur Seite, der stürzte und doch vor Überraschung zu weinen vergaß, und bog bei nächster Gelegenheit ab. Nur nicht geradeaus weiter, unberechenbar bleiben wie ein Haken

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