Der Drachenflüsterer - Der Schwur der Geächteten
Vorsichtig schnitt Ben über Yankos Handfläche, Blut trat aus der Wunde und tropfte in die Erde. Yanko hatte nur kurz mit dem Mundwinkel gezuckt, und nun zeigte er ein verächtliches Lächeln, das dem Schmerz galt.
Nica presste die Lippen aufeinander und reckte Ben die Hand auffordernd noch ein Stück entgegen. Er fasste sie mit der Linken, hielt sie einen langen Moment ganz ruhig. Er spürte ihr Blut pochen und versuchte, ihr mit den Gedanken Ruhe einzuflößen, so wie er einem Drachen seine Heilkräfte übertrug. Sie wirkten nicht bei Menschen, doch er konnte nicht anders. Schaden konnte es ja nicht. Dann setzte er den Schnitt. Nica ertrug den Schmerz ohne die geringste Reaktion, ihr Blut tropfte zu dem Yankos in die Schwurgrube. Langsam löste Ben seine Finger von ihrer Hand. Dann schnitt er sich selbst in die Linke.
»Bei unserem Blut und unserer Freundschaft schwören wir, dass wir nicht eher ruhen werden, bis wir denjenigen Ketzer aufgetrieben haben, der Nicas Vater nach Trollfurt geschickt hat, ihm seinen Drachen genommen haben und diesem die Flügel und Freiheit zurückgegeben haben«, sagte Ben mit tiefer Stimme. Dabei betonte er jedes Wort. Die Fingerspitzen der drei berührten sich sanft, während die letzten Bluttropfen auf ihrer Haut trockneten und verkrusteten. Ben kannte nichts Bindenderes als einen solchen Blutschwur.
»Wir schwören, den Drachen zu befreien, ihm das zurückzugeben,
was blinder Eifer und falscher Glaube ihm genommen haben«, fügte Nica an. »Wir schwören, jenen Mann, der meinen Vater nach Trollfurt sandte, für seine Taten zur Rechenschaft zu ziehen. Wir schwören, dass wir jeden einzelnen Toten an ihm rächen werden, dessen Blut an seinen Händen klebt, auch wenn er es nicht selbst vergossen hat.«
Stumm starrte Ben sie an und biss sich auf die Lippen. Wenn er nicht fürchterliches Unglück auf sie alle herabbeschwören wollte, durfte er nichts sagen, bis der Schwur beendet war.
»Wir schwören, uns an ihm zu rächen für alles, was er Nica angetan hat. Wir werden ihm alles nehmen, vor allem seinen Drachen«, beendete Yanko den gemeinsamen Schwur und sah dabei unsicher zu Ben.
Mit den wunden Händen warfen sie reihum die Erde zurück in das Loch und klopften sie schweigend fest.
Als sie damit fertig waren, fluchte Ben: »Was sollte das, ihr schleimigen Rüsselkröter! Von Rache hatten wir nichts gesagt!«
»Soll das ungerächt bleiben, was der verfluchte Ketzer getan hat?«, blaffte Yanko zurück.
»Nein, natürlich nicht!«
»Wo ist dann dein Problem?«
»Ihr habt mich etwas schwören lassen, das nicht ausgemacht war! Wir haben gesagt, wir befreien Drachen. Wenn wir Nica rächen können, gut. Aber darum sollte es in dem Schwur nicht gehen!« Es war egal, wer die Worte ausgesprochen hatte, sie hatten gemeinsam geschworen, und Ben war wie sie alle daran gebunden.
»Und wenn uns die Rache wichtiger ist? Ist dir denn ein fremder Drache wichtiger als Nica?«
»Nein, verdammt! Das weißt du genau!« Verstanden sie nicht, dass er sich hintergangen fühlte? Warum hatten sie nicht offen mit ihm gesprochen? Das hatten sie doch hinter seinem Rücken geplant! Sie waren das Paar, und er eben nur ein Freund. Doch vielleicht war er nicht einmal das, einen Freund hinterging man nicht. Schon gar nicht, wenn man ohne ihn nicht hier wäre. Ohne ihn und seine Gabe wären die beiden niemals lebend aus der Mine herausgekommen. Und jetzt das! Er spuckte aus und fügte mit erzwungener Ruhe an: »Was habt ihr mit ihm vor?« Konnte Yanko, als er gesagt hatte, sie würden ihm alles nehmen, auch sein Leben gemeint haben?
Nica und Yanko starrten ihn stumm an.
»Was wollt ihr tun, verdammt? Oder verratet ihr mir das auch nicht?«
»Das werden wir dann sehen.« Yanko bemühte sich um ein Lächeln. »Ben, wir wissen es noch nicht. Lass ihn uns erst einmal finden, ja?«
»Macht doch, was ihr wollt! Ich geh jetzt nach Falcenzca.«
»Ich dachte, wir brechen auf. Wir haben geschworen, nicht zu ruhen, bis...«, sagte Nica.
»Das sagt man nun einmal so! Trotzdem darf man noch andere Dinge tun«, knurrte Ben.
»Manchmal. Aber...«, setzte Yanko an.
»Nein, immer! Man darf immer schlafen, essen, pinkeln!«, schrie Ben.
»Und dafür willst du nach Falcenzca? Um zu pinkeln?«
»Ist meine Sache! Auf jeden Fall werden wir erst nach Einbruch der Dunkelheit fliegen, um nicht gesehen zu werden.«
»Und bis dahin müssen wir noch...« »Ich muss gar nichts! Ihr könnt allein packen und alles mit
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