Der Drachenflüsterer - Der Schwur der Geächteten
zu bedenken. »Da wissen wir ja nie, wann wir unseren Schwur erfüllt haben. Bevor wir alle befreit haben, hat er schon weitere versklavt, und wir müssen von vorn anfangen.«
»Dann nehmen wir eben den Drachen des Ersten Ritters aus dem Drachenorden. Oder den Drachen des höchsten Priesters Hellwahs. Auch das macht Eindruck.«
»Das bringt uns vor allem ganz schnell an den Galgen«, sagte Ben. »Wenn wir das machen, ist sofort der ganze Orden hinter uns her.«
»Feigling«, sagte Yanko. »Krötenbaby!«
»Halt’s Maul!«
»Furchtwurm!«
»Ahnungsloser Trollpopel! Wir wissen doch gar nicht, wo wir diesen höchsten Priester finden! Keiner von uns. Wir sollten uns besser um die Umgebung hier kümmern. Einfach alle Drachen von Falcenzca befreien. Es gibt doch keinen Grund, von hier schon wieder abzuhauen. Die Ruine ist großartig, und wir haben gerade erst diesen seltsamen Schlüssel gefunden. Hier gibt es noch ein Geheimnis zu lüften.« Kurz tauchte Anula in Bens Gedanken auf, doch er jagte sie mit einem ärgerlichen Kopfschütteln fort. Schließlich wollte
er bestimmt nicht ihretwegen in der Gegend bleiben. »Wenn wir das alles geschafft haben, dann können wir über größere Aufgaben nachdenken.«
»Falcenzca interessiert mich nicht«, sagte Nica leise, aber bestimmt. Mit kalten Augen starrte sie Ben an. »Ich will, dass wir die Drachen der Ketzer befreien. Sie wollten mich umbringen.«
Ben schwieg. Er öffnete den Mund, brachte kein Wort heraus und schwieg weiter. Wieder tauchte Anula in seinen Gedanken auf, und ihm wurde klar, dass er von hier tatsächlich nicht fortwollte, bevor er sie noch einmal gesehen hatte. Und eigentlich auch dann nicht. Jetzt, in diesem Moment, war er sicher, dass er sie wiedersehen musste. Wie hatte er nur all die Wochen im Wald vertrödeln können? Er sehnte sich nach Anula. Doch niemand konnte Nica diesen Schwur abschlagen. Sie waren Freunde, er war sogar verliebt in sie gewesen, und die Ketzer hatten versucht, sie zu töten.
Ben blickte zu Yanko, und der sah Nica an. So voller Zärtlichkeit und Mitleid, dass Ben ihn eigentlich damit aufziehen hätte müssen. Doch nicht jetzt. Yanko würde auf Nicas Seite sein.
»Dann lasst uns den Drachen des obersten Ketzers befreien«, sagte Yanko mit rauer Stimme und griff unbeholfen nach Nicas Hand. »Denk daran, wir wollen lieber nichts Unmögliches schwören.«
»Gut. Aber wenn wir uns wirklich auf einen festlegen müssen, dann will ich den Drachen von demjenigen, der meinen Vater nach Trollfurt geschickt hat«, sagte Nica und starrte Ben fordernd an. »Einverstanden?«
»Dein Vater wurde nach Trollfurt geschickt? Von wem?«, fragte er.
»Das weiß ich nicht. Vater hat nie darüber gesprochen, er hat so getan, als wäre es seine eigene Idee, als ginge es tatsächlich um ein Blausilbervorkommen, das noch immer in der Mine zu finden sei und uns reich machen würde, richtig reich.«
»Und woher willst du wissen, dass das nicht die Wahrheit ist?«
»Er hat einen Brief bekommen. Ich habe zufällig gehört, wie er mit meiner Mutter darüber gesprochen hat. Es war der Befehl, nach Trollfurt zu gehen, und es ging um irgendwelche harten Zeiten oder so. Ich weiß es nicht mehr, ich habe nur die Hälfte verstanden. Und ich bin sicher, derselbe hat später auch den Befehl geschickt, mich zu opfern.«
»Aber du weißt nicht, wer es war.«
»Meine Mutter weiß es.«
»Deine Mutter ist in Trollfurt.«
»Und?«
»Da werden wir gesucht! Die ganze Stadt...«
»Dann finden wir es eben auf andere Art heraus«, fiel ihm Yanko ins Wort. Auch sein Blick war nun so hart wie Nicas, und Ben erkannte das Verlangen nach Rache. Wer immer Nicas Vater nach Trollfurt gesandt hatte, musste ihn dazu getrieben haben, Nica an den Pfahl zu binden, da gab er ihr Recht. Von selbst konnte ein Vater nicht auf einen solchen Gedanken kommen.
»Na gut. Dann soll es so sein«, sagte Ben und zog seinen Dolch. Dabei dachte er an den Moment, als sie die an den Pfahl gefesselte Nica gefunden hatten, und spürte Zorn in sich aufsteigen.
In aller Ruhe hob er ein kleines Loch im Boden aus, höchstens eine Handbreit tief und genau in der Mitte zwischen ihnen.
Dabei achtete er darauf, keine größeren Baumwurzeln zu verletzen. Die schwarze Erde häufte er direkt daneben auf. Seine Freunde sahen ihm schweigend zu, bis er die Klinge am Hosenbein sauber wischte.
»Dann wollen wir«, sagte Ben, und sie streckten ihre Hände über das Loch, die Handflächen nach oben gedreht.
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