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Der Drachenflüsterer - Der Schwur der Geächteten

Titel: Der Drachenflüsterer - Der Schwur der Geächteten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Koch
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Ochsengebrüll erhoben sich hinter
Ben, doch er drehte sich nicht um. Er hetzte in die nächste Gasse, noch immer waren ihm Fremde auf den Fersen, wenn auch nicht ganz so dicht. Gleich an der Ecke befand sich ein kleines Wirtshaus mit winzigen Fenstern und einem verschmutzten Schild über der Tür, von dessen goldenem Stier die Farbe abblätterte. Ohne nachzudenken, stürzte Ben hinein.
    Noch bevor sich seine Augen an das dämmrige Licht gewöhnt hatten, stürmte er am Tresen und undeutlichen Gestalten vorbei, die ihm die Köpfe zuwandten. Einer rief: »Vorsicht!«, doch das Serviermädchen wich von selbst aus. Irgendwas zerschellte am Boden, irgendwer fluchte: »Rotznase, eitrige!«
    Schwere Schritte und knurrende Verwünschungen folgten Ben den schmalen Gang nach hinten, und er war nicht sicher, ob es die Verfolger waren oder der verärgerte Wirt. Er raste am Kellerabgang vorbei, ohne ihn zu beachten. Solche Keller, in denen üblicherweise Bier, Fleisch und anderes kühl gelagert wurde, verfügten über keinen zweiten Ausgang. In einer solchen Sackgasse hatte sich Ben eine der schlimmsten Abreibungen seines Lebens eingefangen, er wusste nur nicht mehr, weshalb.
    Durch eine schwere, zum Glück nicht abgeschlossene Holztür stolperte Ben in den Hinterhof, wie er gehofft hatte, und raste weiter zum sicherlich zwei Schritt hohen Bretterzaun, der den Hof vom nächsten abtrennte. Dort sprang er hoch, klammerte sich an die Kante und zog sich hinauf, schwang das rechte Bein hinüber. Während er sich vollständig über die Kante wälzte, blickte er zurück. Ein kräftiger Mann mit grauem Backenbart und fleckiger Schürze, ein glänzendes, unterarmlanges Messer in der Hand, trampelte in den
Hinterhof. Der Wirt, stellte Ben erleichtert fest. Andere Verfolger waren nicht zu sehen.
    »Ich hoffe, du brichst dir den Hals!«, rief der Wirt ihm hinterher, doch er gab die Jagd auf. Er hatte Gäste, um die er sich kümmern musste, die Rache für zerstörtes Geschirr musste da zurückstehen.
    Ben hangelte sich von Innenhof zu Innenhof und hoffte auf eine unverschlossene Hintertür, den Zugang zu einem Geschäft, durch das er wieder auf die Straße gelangen konnte. Jedoch kontrollierte er nur die Hintertüren der Häuser, die auf eine andere Straße hinausführten als die, in der er verschwunden war. Für seine Verfolger sollte es aussehen, als habe er sich in Luft aufgelöst. Er wusste nicht, wie schnell sie ihn hinter den Häusern suchen würden, doch hier saß er in der Falle – zu wenig Platz, um davonzulaufen. Sobald sie im Gasthof nach ihm fragten, würde der verärgerte Wirt sie mit Vergnügen auf seine Spur setzen.
    Als er im dritten oder vierten Hinterhof neben verschlossenen Türen auch auf eine behangene Wäscheleine stieß, fiel ihm wieder ein, dass mindestens einer der Männer ihn anhand seiner Hose identifiziert hatte. Egal, wie seltsam das klang, es blieb eine Tatsache, dass mehrere Männer unabhängig voneinander hinter ihm her waren. Wenn sie ihn nun alle anhand der Hose erkannt hatten, dann hatte er hier die Möglichkeit, sich zu tarnen. Er zog seine Hose aus und betrachtete sie. Sie war ein Sammelsurium bunter Flicken und Nähte, und tatsächlich wollte ihm niemand einfallen, der etwas Ähnliches trug.
    Rasch wählte er von der Leine eine dunkle Leinenhose und schlüpfte hinein. Sie war zu groß, also krempelte er die Beine um. Den Bauch polsterte er mit seiner alten Hose aus, die er sich unter das weite Hemd stopfte. So war er nicht nur das
auffällige Kleidungsstück losgeworden, sondern wirkte auch dicker. Den Gürtel schnürte er möglichst eng und band sich zu guter Letzt noch ein Tuch um den Kopf, wie es die Seefahrer aus dem Süden taten. Leider gab es kein schwarzes, er musste sich mit einem aus hellem Rot begnügen, das aussah, als wäre es für Mädchen. Er band es sich so eng hinter die Ohren, dass diese abstanden. Alles, was sein Aussehen veränderte, war gut. Dann machte er sich wieder auf den Weg.
    Drei Hinterhöfe weiter spielten zwei Mädchen mit kleinen Puppen aus Stroh. Die Puppen trugen kleine Krönchen aus hellen Nussschalen, die Mädchen sorgsam geflickte Kleider aus gefärbtem Leinen. Als er über den Zaun geklettert kam, starrten sie ihn neugierig an, und die Dunkelhaarige fragte misstrauisch: »Bist du ein Pirat?«
    »Nein, keine Angst, ich tue euch nichts.« Ben zeigte die leeren Handflächen, um zu beweisen, dass er nicht bewaffnet war. Kreischende kleine Mädchen, die die Aufmerksamkeit

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