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Der Drachenflüsterer - Der Schwur der Geächteten

Titel: Der Drachenflüsterer - Der Schwur der Geächteten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Koch
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einer fernen Stadt war.
    Der Wirt sah ihn verwirrt an, weil er sich noch immer an die Wand neben das Fenster presste und hinaussah.
    »Ich dachte, ich hätte einen Freund gesehen«, erklärte Ben leise und lächelte. Doch auch Freunde hatte er keine in dieser Stadt.
    »Wenn ich einen Freund sehe, verstecke ich mich nicht«, schnarrte der Wirt mit einem schiefen Grinsen.
    »Ich wollte ihn überraschen.«
    »Schon gut, Junge. Ich hatte auch immer solche und solche Freunde. Noch Nachschub?«
    »Nein, danke.« Das Frühstück schmeckte nun nur noch
halb so gut. Ben zahlte und reihte sich auf der Straße in den Menschenstrom ein, der zum Stadion drängte. Dabei nahm er sich fest vor, sich nicht von einem eingebildeten Ritter den Tag verderben zu lassen. Er war hier bei den chybhischen Spielen! Aiphyron hatte gesagt, er solle den Tag genießen, und das würde er auch tun. Mit federndem Schritt lief er weiter.

BLUT UND SPIELE
    A ls die Sonne hoch am Himmel stand, war Ben ganz von der Atmosphäre der Spiele gefangen. Es mussten Zehntausende sein, die auf den Rängen des ovalen Stadions Platz genommen hatten, vielleicht sogar hunderttausend oder mehr. Überall schrien und lachten Leute, fluchten und aßen die Leckereien der Händler, die sich mit ihren Bauchläden durch die Massen wühlten. In den unterschiedlichsten Dialekten feuerten die Zuschauer die Athleten an, teils auch mit Akzent oder in fremden Sprachen. Schrille Flöten wurden gepfiffen und kleine Trommeln geschlagen. Der eine oder andere wettete mit seinem Sitznachbarn über den Ausgang des nächsten Wettstreits.
    Fremde trafen hier auf Fremde, doch waren die Begegnungen nicht vom üblichen Misstrauen geprägt, sondern von Neugier. Jeder war für die Spiele gekommen, alle hatten etwas gemein, und so wurde auch Ben schnell angesprochen. Ein kurzer Scherz wurde ihm zugeraunt, die neugierige Frage nach seinem Favoriten, und die freundliche, woher er käme.
    Er antwortete mit dem einen oder anderen Scherz, und schon bald fühlte er sich als Teil der Festivitäten, auch wenn noch immer Vorsicht und Misstrauen in ihm lauerten. Er konnte sie einfach nicht endgültig abschütteln, und so redete er möglichst wenig und versuchte, nicht zu viele Fragen zu stellen, um sich nicht als völlig ahnungslos zu enttarnen.
    Die meiste Zeit über starrte er bewundernd in die Arena.
In Trollfurt hatte er zu den schnellsten Jungen gezählt, doch keinen einzigen Läufer dort unten hätte er einzuholen vermocht, mit solcher Kraft schnellten sie die Bahnen aus festgetretener Erde entlang. Yanko hätte sehr viel üben müssen, um seinen Traum von einem Sieg hier wahr werden zu lassen.
    Die Faustkämpfer traten im mittleren Rund gegeneinander an, wo der Boden mit feinstem dunklen Sand bedeckt war. Sie trugen nicht mehr als einen Lendenschurz in den Farben ihrer Stadt oder ihres Fürsten oder denen des Ordens. Ihre Haut glänzte vom Öl, mit dem sie sich eingerieben hatten, um dem Gegner weniger Halt zu bieten. Im chybhischen Faustkampf gab es nur wenige Regeln: Sie droschen mit unglaublicher Macht aufeinander ein, mühten sich, einander zu umklammern, traten mit den Füßen zu und versuchten, den anderen über den Boden zu rollen, auf dass der Sand an seiner öligen Haut kleben blieb und sie ihn deshalb besser greifen konnten. Mit wilder Freude schlugen sie auf Nasen und Augen ein oder hämmerten dem anderen das angewinkelte Knie zwischen die Beine. Viele hatten deshalb den Lendenschurz dick ausgepolstert, doch so mancher ging nach einem solchen Treffer trotzdem zu Boden.
    Das Publikum peitschte die Kämpfer voran und hörte erst auf, wenn einer der beiden mit gebrochenen Gliedmaßen, zerschmetterter Kniescheibe oder blutiger Nase niederstürzte und schreiend oder wimmernd liegen blieb. Es waren Kämpfe, in denen niemand Rücksicht nahm. Nur wer als Sieger vom Platz ging, konnte ewigen Ruhm erlangen, noch mehr sogar als bei der Drachenjagd oder im Krieg. Wer dagegen verlor, kehrte nicht selten als halber Krüppel heim oder musste zumindest für lange Zeit das Lager hüten, während die Knochen wieder zusammenwuchsen. Die Angst vor einer
solchen Niederlage trieb die Kämpfer ebenso voran wie die Schreie der Massen.
    Ben hatte sich das Ganze ritterlicher vorgestellt, dabei war ihm doch schon seit einer Weile klar, dass er seine Vorstellung vom Rittertum überdenken musste. So oder so, er wurde vom Geschrei der Masse mitgerissen und jubelte schließlich einem drahtigen, rothaarigen Recken mit

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