Der Drachenthron: Roman (German Edition)
Knappen aufzuspüren.
12
Lystra
E ndlich !«
Jehal gähnte und streckte sich. Er hatte sich ein Nachmittagsschläfchen angewöhnt, nur damit die Zeit schneller verflog. Königin Shezira und ihr Gefolge hätten vor fünf Tagen ankommen sollen. Pflichtbewusst, wenn auch auf die allerletzte Sekunde, hatte er die Sinnesfreuden seines väterlichen Palasts in Furia hinter sich gelassen und war dem Besuch entgegengeritten, um sie im Klippennest zu begrüßen. Doch dann war sie einfach nicht erschienen, und das Nest lag eine ganze Tagesreise zu Pferd von der Hauptstadt entfernt, und es gab absolut nichts zu tun, außer die Drachen zu beobachten und den Wellen zu lauschen, die sich an den Klippen brachen.
Er war schon im Begriff gewesen, unverrichteter Dinge wieder abzureisen, als die Königin des Nordens zu guter Letzt doch noch gekommen war. Entweder sie oder jemand anderer, der mit gut dreißig Drachen sein Nest ansteuerte.
Vielleicht waren es auch bloß weitere Alchemisten. Während er sich ankleidete, konnte er sich ein Grinsen nicht verkneifen. Hyram hatte zwölf von ihnen geschickt, einschließlich des alten Zauberers höchstpersönlich, Bellepheros. Sie waren überall in seinem Nest herumgeschlichen, hatten seine Männer herbeigezerrt, seine Soldaten, seine Diener, seine Knappen, sogar ihresgleichen, die Alchemisten, die für König Tyans Drachen verantwortlich waren. Jeden Tag fand Jehal eine andere Ausrede, ihnen bei der Arbeit zuzusehen. Jeden Tag schnappten sie sich ein paar Dutzend seiner Leute und füllten ihre Lungen mit Wahrheitsrauch, bevor sie ihre Fragen stellten: Was weißt du über Königin Alipheras Tod? Weißt du, wie sie gestorben ist? Warst du daran beteiligt? Jeden Tag erhielten die Alchemisten dieselben Antworten. Sie waren sich ihrer Sache so sicher gewesen, und dennoch hatten sie seit dem Tag ihrer Ankunft nichts herausgefunden. Während Jehal sie beobachtete, lächelte er viel und fragte ununterbrochen, wie er ihnen sonst noch behilflich sein könnte, wobei es ihn große Mühe kostete, ihnen nicht direkt in ihre enttäuschten Gesichter zu lachen. In wenigen Tagen wäre ihre Arbeit im Drachennest beendet, und sie würden sich auf den Weg zum Palast in Furia machen. Ihre Anwesenheit war eine unerträgliche Zumutung, die Jehal jedoch stoisch ertrug und dadurch belohnt wurde, Hyrams Gesandte scheitern zu sehen.
Die Alchemisten des Sprechers verfügten über beinahe grenzenlose Macht, doch es gab einige wenige Dinge, die ihnen untersagt waren. Beispielsweise ihre Elixiere jemandem von königlichem Blute einzuflößen. Was jammerschade war, denn wenn es ihnen nicht gelang, Alipheras Geist heraufzubeschwören und dann zu befragen, würden sie niemals herausfinden, was tatsächlich geschehen war. Jehal hatte Alipheras Tod genauestens geplant und nichts dem Zufall überlassen, und so erfüllte es ihn mit einem Gefühl der Genugtuung, die Alchemisten straucheln zu sehen.
Aber nur bis zu einem gewissen Punkt. Sie hier zu wissen war eine Beleidigung, die er nicht einfach wegstecken würde. Hyram würde für diese Demütigung bezahlen.
Jehal zog seine Stiefel an, besah sich im Spiegel und strich sorgfältig über seine Kleidung, damit alles genau so saß, wie es sollte. Eigentlich konnte er sich nicht wirklich beschweren, dachte er insgeheim. Durch die Sache mit den Alchemisten würde es ihm noch ein klein wenig leichter fallen, das zu tun, was er ohnehin getan hätte.
Also bitte! Er war gerissen genug, seine eigene Eitelkeit zu durchschauen, und sah mehr als passabel aus, wenn er wollte. Er nickte sich im Spiegel zu und eilte zu der Treppe, die hinunter zu den Landefeldern führte. Es würde ihm nicht genügen, Hyram einfach zu ermorden, entschied er. Da müsste ihm schon noch etwas Besseres einfallen. Ihm schwebte eher eine Art Vivisektion vor.
Er trat durch die sperrangelweit geöffneten Tore des Klippennests hinaus ins Freie. Hunderte von Soldaten stellten sich gerade hastig in Position auf, bildeten eine keilförmige Phalanx. Jehal war nicht ganz sicher, ob es eine Darbietung seiner Stärke oder eine Respektbezeugung war. Er schob den Gedanken beiseite, so wie sich wohl auch Shezira keinen Kopf deswegen machen würde, und blickte hoch. Dutzende von Drachen kreisten am Himmel. Vier von ihnen waren bereits im Landeanflug und stürzten beinahe im senkrechten Fall auf die Landefelder. Jehal verbannte Hyram aus seinem Bewusstsein. Im Moment hatte er ein viel erbaulicheres Problem zu
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