Der Drachenthron: Roman (German Edition)
und ihr jegliche Ehrenbezeugung zu erweisen. Dann machte sie einen Kniefall. Shezira wollte ihr für ihre Umsicht eine Ohrfeige geben. Vielleicht wollte sie auch einfach nur jemanden verprügeln, irgendjemanden , der ihr gerade in den Weg kam.
»Wer hat überlebt, Feldmarschall?«
Nastria hielt den Blick gesenkt. »Euer Alchemist und zwei Söldner, Eure Heiligkeit. Sie befanden sich zusammen mit dem Knappen und Eurem weißen Drachen am Boden, als sie angegriffen wurden.«
»Haben sie gesehen, wer es war?«
Nastria schüttelte den Kopf. »Nein, Eure Heiligkeit.«
Unbezähmbare Wut packte Shezira. Sie zückte ein Messer und drückte die scharfe Klinge an Lady Nastrias Hals. »Habt Ihr sie gefragt, wie sie es wagen können, noch am Leben zu sein, wo meine Drachen tot sind?«
»Eure Heiligkeit, es ist nicht …«
» Habt Ihr sie gefragt ?«, knurrte sie.
»Nein, Eure Heiligkeit.« Nastria schüttelte kaum merklich den Kopf. Shezira spürte, wie ihre Hand mit dem Messer regelrecht danach verlangte, ins Fleisch schneiden zu dürfen.
»Wer hat die Drachenreiter ausgesucht, die meine Weiße eskortiert haben, Feldmarschall?«
»Ich, Eure Heiligkeit.«
»Wer hat die Söldner ins Spiel gebracht?«
»Ich, Eure Heiligkeit.«
»Wer hat die Route festgelegt? Wer hat die Anzahl der mitfliegenden Drachen bestimmt? Wer hat gesagt, ich soll nicht auf meiner Weißen zum Palast fliegen, aus Angst, was Hyram mit ihr anstellen könnte?«
Eine kurze Pause folgte. »Ich habe die Route festgelegt, Eure Heiligkeit.«
»Wer hat gesagt, ich soll meine Weiße nicht in Sprecher Hyrams Nest bringen?«
Nastria schwieg.
»Antwortet mir, Feldmarschall, oder Ihr bezahlt hier und jetzt mit Eurem Kopf dafür.«
»Dann soll es so sein, Eure Heiligkeit, denn diese Idee stammt von Euch, nicht von mir.«
Shezira erstarrte. Für eine Sekunde war sie wie betäubt. Dann steckte sie das Messer wieder ein. »Ja, das stimmt. Ihr habt die Reiter ausgesucht, aber wahrscheinlich hätte ich dieselbe Wahl getroffen. Ich hätte allerdings keine Söldner mitgeschickt, auch wenn sie meinen Drachen sicherlich nicht gestohlen haben. Also schön. Jemand hat mich verraten, Feldmarschall, und die Schuldigen werden für ihr Verbrechen sterben. Steht auf!«
Nastria erhob sich. Sie zitterte, was Shezira nicht entging. Gut so. Das solltest du auch .
»Ich werde sie finden, Eure Heiligkeit.«
»Ja. Das werdet Ihr. Und nun, wo ist meine Tochter?«
»Lystra steht auf der Drotanhöhe unter Bewachung.« Nastria runzelte die Stirn, war für einen Moment verwirrt. »Wie Ihr befohlen habt. Zusammen mit unseren Vorräten und so vielen Reitern, wie wir entbehren konnten.«
»Nicht sie. Jaslyn.«
»Schiebt Wache, Eure Heiligkeit.« Sie blickten beide zu den Drachen, die hoch über ihren Köpfen kreisten.
»Bringt sie zu mir. Ich habe mit ihr zu reden.«
Shezira sah sich mit ausdruckslosem Blick um, während ihr Feldmarschall davontaumelte. Sie befanden sich am Ende der Welt, mitten in wegloser Wildnis, auf die drei Könige ihren Anspruch hätten geltend machen können, es aber natürlich nicht taten. Die steilen Talhänge waren mit Bäumen überwuchert, und abgesehen von der Möglichkeit im Fluss konnte kein Drache hier landen. Niemand lebte so weit draußen.
Zwei Könige und ein Sprecher. Valgar, Valmeyan und Hyram. Jeder von ihnen hätte unbemerkt Drachen herschicken können. Ich darf Alipheras Erbin nicht außer Acht lassen. Sie hätte lediglich die Drotanhöhe umfliegen müssen, was keine beson – dere Schwierigkeit darstellt. Doch wer von ihnen ist für den Angriff verantwortlich?
Sie strich Valgar sofort von der Liste. Unter keinen Umständen könnte er einen weißen Drachen vor ihr oder Almiri verstecken. Also Hyram? Sie misstraute ihm so sehr, dass sie die Weiße nicht zum Adamantpalast mitgenommen hatte. Dem alten Hyram wäre so etwas zuzutrauen gewesen …
Aber …
Sie schüttelte den Kopf und versuchte, das Bild des gebrochenen und bemitleidenswerten Geschöpfes zu verdrängen, das sich als Sprecher der Reiche ausgegeben hatte. Vielleicht doch nicht Hyram. Die neue Königin Zafir? Äußerst verwegen, einen Krieg anzuzetteln, und das wenige Tage nach ihrer Krönung, doch sie wäre nicht die Erste. Oder Valmeyan, der König der Felsen?
Sie schritt unruhig auf und ab. Valmeyan. Ja. Wie einfach, einem Einsiedler-König die Schuld zuzuweisen, der seine Bergfeste seit mehr als zwanzig Jahren nicht verlassen hatte und keinerlei Interesse an den
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